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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Cardinal
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auf dem Boden wieder fand.
    Es kümmerte sie nicht.
    Ich biss die Zähne zusammen. Für diesen Kommentar wollte ich ihr am liebsten eine wischen oder die Wohnung verlassen, aber ich wusste, dass ich von ihr abhängig war. Ich brauchte sie, damit sie diesen Artikel über mich schrieb. Deswegen blieb mir keine andere Wahl, als untätig herumzusitzen.
    »Valentin, geh.«
    »Das ist meine Wohnung. Ich werde keinen Schritt machen.«
    Emilias Fäuste zitterten heftiger, als sie ihren Notizblock packte. Ich hörte, wie eine Seite riss. »Sorry, aber unter diesen Bedingungen kann das nicht funktionieren«, murmelte sie. »Ich will hier arbeiten. Und wenn ihr beide euch …« Ihre Stimme erstarb.
    Ich ? Was für eine Rolle spielte ich jetzt in ihrer Gleichung? Nur, weil ich kurz irritiert gewesen war und nachgefragt hatte, was Valentin mit Bulimie meinte, war ich auch gegen sie? Was …
    »Geh«, sagte Emilia dann und wies zur Tür.
    »Ich?«, fragte ich überrascht.
    »Ja. Ich brauche meine Ruhe. Ich rufe dich an, wie das mit dem nächsten Treffen aussieht. Aber jetzt bin ich über jede Person glücklich, die nicht in meiner Nähe ist.«
    Überrascht blieb ich sitzen und wusste nicht, wie ich jetzt zu handeln hatte. Gehen? An ihre Vernunft appellieren? Aber das Zittern ihrer Hände deutete an, wie sinnlos der letzte Plan war.
    »Geh«, beharrte sie.
    Jetzt kam Bewegung in mich und ich griff nach meiner Handtasche, die vor mir auf dem Boden lag. Als ich mich aufrichtete, fiel mein Blick kurz auf Valentin, der mich entschuldigend ansah.
    Keine zwei Minuten später stand ich auf der Straße und starrte in den sich nähernden Abend hinein.
    Bitte was war soeben passiert?
    Ich schlang die Arme um meinen Körper, um der Kälte keinen Einlass zu gewähren, und ging los. Ich war wieder zu Fuß hergekommen, doch jetzt bereute ich es. Es wurde frisch. Der Oktober war anscheinend doch mehr Winter als Sommer.
    Während sich die Gedanken an die vergangenen Momente verflüchtigten, arbeiteten sich ganz andere in den Vordergrund.
    Immerhin hast du sie mit jedem Detail der Tageszeitung angedreht. Valentins Worte hallten mir im Kopf wider, und ich spürte, wie sich ein unangenehmes Gefühl in mir ausbreitete. Ich lief in einem Labyrinth, von dem ich nicht genau wusste, ob es einen zweiten Ausgang gab, der mich wieder in die Freiheit führte. Die Hecken hinter mir begannen, immer schneller zu wachsen. Die Äste drängten sich auf den Weg, verkanteten sich ineinander, das Grün wurde immer dichter – bis mein Rückweg schließlich vollkommen zugewachsen war. Das war es, was gerade passierte.
    Ich biss mir auf die Lippe und lief schneller. Ich brauchte jetzt eine Antwort. Ich musste wissen, ob mein Plan aufging oder ob ich mich in ein unnötiges Risiko stürzte. Denn wenn nicht, dann machte ich weiter. Die Belohnung war zu verlockend. Dann würde ich morgen aufwachen, zum Bäcker gehen, zur Arbeit gehen und wieder nach Hause kommen, ohne im Laufe des Tages auch nur einen einzigen Gedanken gehört zu haben. Ohne mitzubekommen, wie mein Chef sich an meinen Rundungen aufgeilte, wenn er im Büro an mir vorbei ging. Und dann würde ich wieder nach Hause kommen, Silvio begegnen und bemerken, was für ein attraktiver, junger Italiener er doch war. Nein, mehr als das. Bemerken, dass ich mich im Laufe unserer Bekanntschaft in ihn verliebt hatte.
    Ich wollte lächeln, doch ein plötzliches Geräusch vertrieb es sofort wieder.
    Ein leises Klingeln drang aus meiner Handtasche. Mein Handy.
    Als ich es aus meiner Tasche zog, dachte ich darüber nach, wie ich gestern gehofft hatte, dass mich Gott auf dem Smartphone kontaktierte, um mir mit seiner rauchigen, aus einem nicht materiellen Körper entsprungenen Stimme zu sagen, was für ein böses Mädchen ich doch war und dass er wollte, dass ich damit aufhörte. Weil er sonst seine Brüder zu mir schicken würde, die kurzen Prozess mit jemandem wie mir machten. Ich musste über die Vorstellung lächeln, bis ich den Namen sah, der auf dem Display aufleuchtete.
    Wie gestern auch schon war es nicht Gott. Im Gegenteil. Es war der Teufel.
    Ich drückte Emilia weg, verstaute das Handy wieder in der Tasche und bog in eine dunklere Gasse ab, die ich auf dem Heimweg immer durchqueren musste, wenn ich nicht zehn Minuten länger brauchen wollte, als nötig
    Ich war keine zehn Meter gegangen, als ich mitten in der Bewegung einfror.
    Na du?
    Plötzlich war ich hellwach. Jede Alarmglocke in meinem Körper schellte und jeder

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