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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Cardinal
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erinnerte, dass meine Mutter uns beide zu je fünf Stunden Zimmerarrest verdonnert hatte. Wir hatten die ganze Zeit über mithilfe eines Bechertelefons Schiffe versenken gespielt. Und ich hatte immer gewonnen.
    »Darf ich dieses Lächeln als ein ja deuten?«, fragte Valentin.
    Ich wischte die Erinnerungen beiseite und nickte. »Ich habe mich gerade an etwas erinnert. Aber ja, ich bin dafür, dass wir diese Unterhaltung verschieben.«
    »Was war das für eine Erinnerung, wenn ich fragen darf?«, wollte er wissen, vermutlich in der Hoffnung, dadurch ein ausgelassenes Thema anzusprechen.
    »Ich habe mich an meine Eltern erinnert. Aber dieses ernste Thema sollten wir lieber auch verschieben.«
    Valentin zuckte mit den Achseln und nickte. Ich sah seinem Blick an, dass ich Neugier in ihm ausgelöst hatte. »Klar. Also, worüber möchtest du reden?«
    Ich lehnte mich zurück. »Du hättest mir die Getränke auch bezahlt, wenn du die Wette verloren hättest, richtig?«, fragte ich.
    Er presste die Lippen aufeinander. »Du bist gut. Was hat mich verraten?«
    Ich lächelte. »Du hast mir vorhin den Stuhl zurückgezogen und dich als ein Gentleman zu erkennen gegeben. Das hat dich verraten.«
    »Gut, ich werde das nächste Mal mehr aufpassen.« Er erwiderte mein Lächeln und trank einen Schluck von seinem Cocktail.
    Mein Herz verkrampfte sich. Ich gönnte mir auch einen kräftigen Schluck Zombie, um den Knoten zu lösen, der sich plötzlich um meine Brust gelegt hatte. Das nächste Mal . So hatte meine Freundschaft mit einer anderen Person auch begonnen. Und aus einer Freundschaft war Liebe geworden. Einseitige Liebe. Die alles kaputt gemacht hatte.
    Er hat eine Freundin , dachte ich. Die Beziehung stand zwar auf dünnen Stelzen und war mehr als wackelig, aber sie existierte. Und das tröstete mich, obwohl es wahrscheinlich kein Grund für ihn war, nicht mehr daraus zu machen.
    Jetzt konnte ich wieder ehrlicher lächeln und griff nach meinem Glas. »Wollen wir auf irgendetwas anstoßen?«, fragte ich, trotz meiner Gedanken, und hielt ihm meinen Zombie entgegen.
    Valentin sah sich kurz um und bemerkte, dass Ming, der Kellner, einen Tisch weiter ein junges Paar bediente. Er lächelte kurz zu uns hinüber, als er unsere Blicke auf ihm wahrnahm. »Auf dein Buch!«, sagte Valentin dann.
    Ich grinste. Er hatte es mit Absicht so laut gesagt. »Auf mein Buch«, erwiderte ich und wir prosteten uns zu.
    Das versprach noch ein interessanter Abend zu werden.

9
     
    »Winkel mal die Arme an. Und mit den Händen näher zum Kopf.«
    Ich seufzte, streckte mich und folgte ihrer Aufforderung. Allmählich meldete sich mein Rücken, das ganze Liegen tat meiner Wirbelsäule gar nicht gut. Vor allem ging es mir auch so schon bescheiden genug. Ich war heute um halb vier nachmittags mit einem Wahnsinnskater aufgewacht und hatte nicht den Mut gehabt, Emilia abzusagen, die ein Treffen um sechs Uhr verlangt hatte. Außerdem war mein Briefkasten noch immer leer, und ich konnte mir keine Auszeit gönnen. Mein Boss musste wissen, dass ich es ernst meinte. Und dafür stand ich auch gerne ein albernes Fotoshooting durch.
    »Okay!« Wieder das Klicken der Kamera. Wieder Blitze von allen Seiten. Wieder strengte ich meine Augen an, dass ich nicht blinzeln musste.
    »War es das?«, fragte ich hoffnungsvoll.
    »Nein. Ich brauche einen Haufen Bilder, um das beste aussuchen zu können.«
    Ich sah aus den Augenwinkeln, wie sie zum Sofa ging, das wir an die hintere Wand geschoben hatten, um auf dem Boden Platz zu schaffen. Sie griff in eine große Plastiktüte und kam mit einer Handvoll Federn wieder zu mir. Als sie über mir stand, ließ sie sie auf mich hinabregnen. Ich bereitete mich geistig auf die nächste Niesattacke vor, aber glücklicherweise kreuzte diesmal keine Feder meine Nase.
    »Das müsste eigentlich reichen.« Emilia musterte mich noch einmal von oben bis unten, beugte sich dann hinunter und zupfte mein weißes, aus Spitze bestehendes Halstuch zurecht. Als sie aufstand, wanderte ihr Blick wieder zum Sofa. Oh nein. Bitte nicht. Dort lag nämlich noch ein kleines, hölzernes Bogen-Set mit drei Pfeilen. Wenn sie auf die Idee kam, mich damit zum Affen zu mach…
    Sie ging darauf zu. »Emilia, das mit dem Bogen ist eine beschissene Idee«, warf ich sofort ein, als sie danach griff. Sie machte allerdings keine Anstalten, auf mich zu hören, und kam zu mir zurück.
    »Nimm den mal in die Hand.«
    Ich rümpfte die Nase, als ich das Spielzeug in der Hand hielt.

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