Fluegellos
Freunden auf Mallorca am Strand saß.
Ich fühlte mich nicht gut, wenn ich all diese persönlichen Momente eines Menschen mitbekam. Es gab mir das Gefühl, dass ich ein Eindringling und hier mehr als unerwünscht war, was im Grunde auch der Realität entsprach. Diese Erinnerungen gehörten ihm, ebenso wie seine Träume. Ich tröstete mich damit, dass ich beabsichtigte, ihm durch meinen Einbruch viel mehr schöne Erinnerungen zu schenken, als ich gerade unfreiwillig mitbekam.
Und dann sah ich ein weiteres Bild. Er mit dem Mädchen im kurzen Blauen, wie sie sich küssten.
Ein Wunsch.
Ja, sie gehörten definitiv zusammen.
Ich konzentrierte mich auf den Satz, den ich vorher immer wieder vor mich hin gedacht hatte. Ich werde zu ihr gehen, sie ansprechen und ihr vorschlagen, dass ich ihr noch einen Drink spendiere.
Der Satz mischte sich unter seine Gedanken, wurde aber schnell verschluckt und überrannt von anderen, stärkeren Gedanken, die durch seinen Kopf irrten.
Also wieder. Diesmal hallte meine Stimme länger in seiner Seele umher, verstummte aber erneut. Ich schloss die Augen, dachte wieder daran, und diesmal setzte er sich durch. Es war immer noch meine Stimme, die ihm zuflüsterte, zu ihr zu gehen, aber das änderte sich. Allmählich, während der Gedanke immer lauter wurde, veränderte sich die Tonlage. Nach wenigen Sekunden war es seine Stimme, die diesen Gedanken dachte. Er hatte ihn wahrgenommen, als ob es sein eigener gewesen war.
Sehr gut. Ich schloss die Augen, wissend, dass ich sie nicht mehr in dieser Gestalt öffnen würde. Aber ich musste auch nicht mehr lange so bleiben, ich war fast fertig. Jetzt fehlte nur noch ein letzter Reiz, um dafür zu sorgen, dass ich meine Wette gewann.
Jetzt.
Ich schlug gerade pünktlich die Augen wieder auf, um zu sehen, wie der Junge dort hinten am Tisch aufstand. Ein zufriedenes Grinsen nahm mein Gesicht ein, als Valentin sich erstaunt zu mir umwandte.
»Sieh hin«, sagte ich und nickte wieder in die Richtung des Jungen, in dessen Schädel ich gerade eben noch meine Hand versenkt hatte.
Valentin folgte meiner Aufforderung und sah genau das, was ich ihm versprochen hatte. Der Junge schob sich hinter dem Stuhl seines Freundes entlang, arbeitete sich zum Tisch der Mädchen und kam vor seiner Angebeteten zum Stehen. Er beugte sich vor, schenkte ihr ein Lächeln und begrüßte sie.
»Hallo.«
Sie erwiderte das Lächeln schüchtern und sagte: »Hi.«
Er zögerte dann keinen Moment mehr. » Hast du etwas dagegen, wenn ich dir gleich noch einen Drink ausgebe?«
JA! , triumphierte ich innerlich und grinste breit. Als Valentin sich langsam zu mir umwandte, die Stirn ungläubig gerunzelt, musste ich strahlen, als ob ich gerade einen Sechser im Lotto erwischt hatte.
»W… was?«, fragte Valentin. »Dein Ernst?«
Ich hob die Schultern, griff nach meinem Zombie und gönnte mir den Schluck eines Gewinners.
Er schüttelte ungläubig den Kopf. Lächeln schien er verlernt zu haben.
»Schon darüber nachgedacht, was du als zweiten Job machen willst? Ich habe gerade entschlossen, jeden Abend was trinken zu gehen.«
»Wie hast du das bitte angestellt?«, sprudelte er heraus und warf noch einen Blick zurück. Die Turteltäubchen waren in ein ausgelassenes Gespräch vertieft, sie schienen beide sehr zufrieden zu sein.
»Indem ich ein Engel bin«, sagte ich sofort. »Zumindest nenne ich das so. Ich habe gerade in seinen Gedanken herumgestochert und ihm gesagt, dass er zu diesem Mädchen gehen und sie das fragen wird. Irgendwann hat er gedacht, dass es seine eigene Idee war, und ist letztlich aus eigenem Antrieb aufgestanden.« Während Valentin vom Glauben abzufallen schien, lächelte ich zufrieden in mich hinein und gönnte mir noch einen Schluck von meinem Zombie.
»O… okay«, murmelte er und trank einen übertrieben großen Schluck von seinem Cocktail, als wollte er sich abfüllen, um zu vergessen, was er eben erfahren hatte. »Ein Engel also.«
Ich nickte nur, noch immer lächelnd. »Du wolltest es unbedingt erfahren. Solltest du deswegen jetzt Albträume oder ein Trauma davontragen, bin ich nicht dafür verantwortlich.«
Mittlerweile war sein Glas leer und ich tat es ihm nach. Der Zombie war wirklich gut gewesen, aber irgendwie bemerkte ich noch keine Veränderung. Es hatte zwar enorm nach Alkohol geschmeckt, aber anscheinend sprang ich darauf nicht an. War das etwa noch etwas, was mir dieses Dasein verbot? Betrunken zu werden? Das schien allmählich alles
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