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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Cardinal
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Rettungssanitäter. Jetzt arbeite ich bei meinem Bruder in der Firma und kümmere mich ums Personal.« Er lächelte und hob die Schultern. »Kein wirklich erfüllender Job, aber wir brauchen das Geld.«
    Das erklärte, wieso er Köln von oben gesehen hatte: Rettungshelikopter. »Vom Rettungssani zum Bürohocker?« Ich runzelte die Stirn. »Wieso?«
    Er antwortete nicht sofort. Mir war, als suchte er nach einer Antwort, die ihm besser gefiel als die Realität. Schließlich seufzte er. »Ich habe dabei versagt, einer Person das Leben zu retten. Sie ist in meinen Armen gestorben.«
    Ich schluckte. Das hatte ich nicht erwartet. Jetzt war ich es, die den Griff um seine Hand verstärkte, um ihn zu trösten. Er erwiderte es aber.
    »Deswegen habe ich dich vorhin gefragt, ob Emilias Verhalten mir gegenüber ungerecht ist. Ich habe gedacht, dass nur ich das so sehe, weil ich etwas anderes von ihr erwarte. Ich erwarte, dass sie jemand ist, der sie nicht ist. Und ich dachte deshalb, dass ich vielleicht derjenige bin, der sie unfair behandelt. Nicht umgekehrt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Du machst alles richtig.«
    Er lächelte dankbar, ohne mich anzusehen.
    Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und fragte dann: »Wer soll sie in deinen Augen sein?«
    Sein Blick wanderte nach rechts zum Rhein, wo er auf einer Straßenbahn verharrte, die über die Deutzer Brücke kroch. Es war, als klammerte er sich an jedes Fünkchen Licht, das er greifen konnte. Er holte tief Luft, und als er sich wieder mir zuwandte, sagte er nur: »Marlen.«
    Ich wusste nicht, ob es unhöflich war, nachzufragen, also blieb ich still und musterte ihn, während ich mich durchgehend darauf konzentrierte, nicht daran zu denken, dass zehn Meter unter mir schwarzes, tiefes Wasser floss. Lange Zeit sagte er nichts mehr und sah nur geradeaus. Ich sah in seinen Augen, dass er sich die Worte zurechtlegte. »Das ist zwei Jahre her, an Halloween. Wir waren auf eine Party im bergischen Land eingeladen und sind da mit dem Auto hingefahren. Ich fahre eigentlich sehr selten Auto, deswegen habe ich das komplett vergessen und mir einen Sekt gegönnt. Marlen drei.«
    Ich schluckte und wartete, dass er fortfuhr. Ich hatte das Gefühl, das Ende zu kennen. Aber ich wünschte, dass ich mich irrte.
    »Ich habe mich nicht wirklich schlecht gefühlt, also habe ich gesagt, dass ich fahren kann. Es war schon nach drei Uhr morgens.« Tränen glitzerten in seinen Augen. »Ich war ein totaler Vollidiot.«
    »Du kanntest die, die gestorben ist?«, fragte ich leise.
    Er nickte mit schmerzlichem Gesichtsausdruck. »Wir waren schon seit der Schulzeit zusammen. Sie wäre die Frau gewesen, die ich geheiratet hätte. Aber stattdessen habe ich sie sterben lassen.« Er sah wieder zum Rhein und fuhr sich flüchtig mit der Hand über das Gesicht. Wollte er nicht, dass ich ihn weinen sah?
    »Sie war bestimmt eine umwerfende Frau«, flüsterte ich.
    »Sie war … ja. Sie war unfassbar schön. Sie hatte langes, schwarzes Haar und fast pechschwarze Augen. Ich wünschte, du könntest ihr in die Augen sehen. Man hat ihn ihnen ihre ganze Seele glitzern sehen. Ihre Güte. Ihre Lebensfreude. Ihre Liebe. Und ihr Lächeln …« Er sah mich an. Auf seinen Lippen lag ein warmes, unendlich glückliches Lächeln. Als würde er sie gerade in diesem Moment vor sich sehen, als hätte er sie niemals verloren. »Wenn sie gelächelt hat, hat ihr ganzes Gesicht mitgelacht. Sie hat einen sofort mitgerissen. Jeden. Sie hat einfach jeden in ihren Bann ziehen können.«
    Ich lächelte. »Das kann ich mir sehr gut vorstellen«, erwiderte ich. Wie tröstete man jemanden, der das Gefühl hatte, die Liebe seines Lebens, den wundervollsten Menschen der Welt, getötet zu haben?
    »Jedenfalls habe ich sie einfach so … in den Tod gerissen«, murmelte er und schluckte. Verbitterung schlich sich auf seine Züge. »Ich habe mir gesagt, dass ich niemals mehr einem Menschen das Leben retten kann, wenn es mir bei Marlen nicht gelungen ist. Ich wäre für sie gestorben.«
    »Du hast sie nicht getötet«, entgegnete ich. »Wenn jemand stirbt, dann stirbt er aus einem Grund. Und wenn jemand überlebt, dann überlebt er aus einem Grund. Glaub mir.«
    Er ließ seinen Blick über mein Gesicht wandern. Ich hatte das Gefühl, dass er wusste, wovon ich redete. Und wieso gerade ich das sagte.
    »Wieso?«, fragte ich und sah ihn argwöhnisch an. »Wieso hast du mir das erzählt?«
    »Ich wollte quitt sein«, sagte er und presste die Lippen

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