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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Cardinal
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schaffte es, ein zittriges Lächeln auf meine Lippen zu zaubern. Dort blieb es aber nicht lange. Das Paketband verhinderte es.
    Wie sollte ich es schaffen, mich zu entspannen, wenn mein Mund zugeklebt war, meine Hände an ein Rohr gefesselt waren und ich nicht im Stande war, mich zu rühren? Noch dazu zuckte alle paar Sekunden ein heftiger Schmerz von meinem Hinterkopf aus die Wirbelsäule hinunter, den ich mit Sicherheit niemals ignorieren konnte.
    Wie sollte ich es jemals schaffen, das alles auszublenden?
    Mein Blick fiel wieder auf das Handy, das ich durch die Dunkelheit hindurch nur schemenhaft ausmachen konnte. Es musste doch irgendeine Möglichkeit geben, es zu erreichen!
    Komm schon! Ich biss die Zähne aufeinander und zog meine Füße so nah an meinen Körper, wie nur möglich. Meine Muskeln zogen höllisch, und ich musste mir auf die Lippe beißen, um diesen Schmerz zu ertragen. Mit einem Fuß tastete ich nach dem Schuh am anderen. Wieso hatte ich mich zu Hause für feste Schuhe mit Schnürwerk entschieden? Wieso hatte ich vorhin nicht die Ballerinas gewählt, die viel einfacher von meinem Fuß zu lösen waren?
    Vorhin?
    Ich hielt inne und realisierte, dass ich keine Ahnung hatte, wie viel Zeit vergangen war, seit Emilia mich niedergeschlagen hatte. Meine Müdigkeit war vollkommen verflogen, also musste ich einige Stunden weggetreten gewesen sein. Aber vorhin waren doch Stimmen zu hören gewesen, die sich keine Mühe gemacht hatten, leise zu sein! Also konnte es nicht allzu spät sein. Vermutlich war es gerade später Nachmittag, knapp vor fünf.
    Ich wischte die Gedanken beiseite und konzentrierte mich wieder auf meinen Plan. Ich winkelte den Fuß an und versuchte, mit der Ferse des anderen den Schuh zu lösen. Er saß fest. Ich hatte wieder einmal keine Gnade walten lassen, als ich mir die Schuhe gebunden hatte. Nicht ansatzweise.
    Ich verzog das Gesicht und strengte mich noch mehr an. Es musste doch irgendwie möglich sein!
    Komm schon!
    Da gab der Schuh nach und rutschte nach unten.
    Ja! Ich spürte einen Schuss Euphorie durch meine Adern sprudeln. Ich stellte mich mit der Spitze des noch verbleibenden Schuhs auf den Strumpf und zog ihn mir mit einem heftigen Ruck aus. Das klappte ohne Probleme.
    Ich atmete auf und zitterte vor Erleichterung. Wieso war ich nicht sofort auf diese Idee gekommen?
    Ich hätte es ohnehin nicht rechtzeitig geschafft , versuchte ich mich zu trösten. Ich hätte es nicht vor der Mailbox geschafft.
    Ich winkelte die Knie noch mehr an und streckte meine nackten Zehen nach links, reckte sie dem Handy entgegen. Unter meinem kleinen Zeh spürte ich das kalte Display und drückte es gegen den Boden. Jetzt musste ich es nur noch mit nach vorne schieben und dann hatte ich es so gut wie sicher!
    Ich presste die Lippen aufeinander. Die Muskeln in meinen Zehen wehrten sich dagegen, sich zu rühren, aber ich ignorierte sie. Jetzt ging es nicht um meine Zehen. Jetzt ging es um viel mehr, womöglich um mein Leben.
    Mit einer schnellen Bewegung riss ich den Fuß zurück an seinen ursprünglichen Platz und schaffte es gerade noch rechtzeitig, das Handy wieder zu packen, bevor es zu weit nach vorne rutschte, aus meiner Reichweite hinaus.
    Ja! Jaaa! , triumphierte ich wieder. Das Handy lag jetzt genau vor mir, genau vor meinen Zehen. Wenn ich es schaffte, mein Zittern in den Griff zu kriegen, schaffte ich es vielleicht, das Handy zu bedienen.
    Ich wartete einige Minuten ab, in der Hoffnung, dass Valentin sich vielleicht noch einmal meldete. Denn jetzt war es mir möglich, seinen Anruf anzunehmen.
    Aber das Handy blieb ruhig. Kein Anruf. Keine Nachricht.
    Ich atmete kurz durch, sodass sich mein Zittern so gut wie beruhigte, und schloss die Augen.
    Okay.
    Ich sah auf, tastete nach dem Knopf am unteren Ende des Bildschirms und betätigte ihn mit dem mittleren Zeh. Als das Display in einer gleißenden Helligkeit aufleuchtete, kniff ich die Augen wieder zusammen. Kurz überwog der Schmerz der Blendung, der an meinen geschlossenen Lidern pochte, meinen schmerzenden Hinterkopf.
    Ich blinzelte. Allmählich gewöhnten sich meine Augen daran, dass es wieder eine Lichtquelle gab, und erlaubten mir, schärfere Umrisse zu sehen.
    Die PIN. Ich musste noch die PIN eingeben, bevor ich Valentin anrufen konnte.
    Ich versuchte, mit dem kleinen Zeh die erste Ziffer anzupeilen, und tippte auf den Bildschirm. Hatte ich sie erwischt? Die Zahlen verschwammen vor meinem Auge, ich konnte es nicht erkennen.
    Dann hieß es

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