Fluegellos
Hosentasche und ich musste schlucken, als ich etwas in ihrer Hand aufblitzen sah.
Ein Taschenmesser.
»Dass wir uns einig sind: Das hier ist niemals passiert. Und wird auch nicht wieder passieren, wenn du einfach ganz brav mitmachst. Abgemacht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Was willst du von mir?«, fragte ich. »Bring’ mich doch um! Scheid’ mir doch die Kehle durch, wenn dich das glücklich macht!«
Sie lachte leise. »Und was habe ich dann davon?«
Ich hielt inne und starrte in ihre kalten, vor Entschlossenheit glänzenden Augen. Sie war vollkommen wahnsinnig geworden. Jeder Funken Vernunft war aus ihrem Bewusstsein verschwunden.
Sie war eiskalt.
»Richtig, gar nichts«, beantwortete sie ihre Frage selbst, als ich weiter schwieg. Sie ließ ihre Hand in die Tasche wandern, die sie mit sich herumtrug, und zog eine Kamera hervor. »Deswegen habe ich einen viel besseren Plan.«
»Was soll das?«, fragte ich leise. Ich sah jetzt, wie Emilia noch ein Stativ aus der Tasche holte und es aufklappte. Sie richtete sich auf und stellte es vor mir hin.
»Ich möchte dir Folgendes vorschlagen.« Sie befestigte den Camcorder auf dem Stativ und richtete ihn aus, sodass er genau auf mich zeigen musste. »Ich gehe alleine zum Verlag, und du darfst hierbleiben. Damit ich auch etwas habe, was ich ihnen präsentieren kann, wenn die Protagonistin mich schon nicht begleiten will, wirst du deine ganze Geschichte auf dieses Video sprechen.«
Ich spürte wieder einen Stein auf meinem Herzen. Scheiße.
»Jedes Detail, Nina. Keine versteckten Botschaften. Kein Hilferuf. Ich werde mir jede Sekunde ansehen, und wenn ich auch nur eine verdächtige Geste sehen sollte, dann darfst du das noch einmal alles machen.«
»Was habe ich davon?«, flüsterte ich.
Sie hob die Schultern und verzog gleichgültig den Mund. »Vielleicht, dass ich dich gehen lasse?«, fragte sie. »Du wirst hier unten so lange bleiben, bis du mir die Story geliefert hast und ich meinen sicheren Vertrag habe. Dann lasse ich dich gehen.«
»Sie werden mich persönlich treffen wollen«, murmelte ich. Emilias Plan ergab keinen Sinn. Er war vollkommen undurchdacht.
»Überlass das mal mir«, lächelte sie und kniete sich wieder vor mich. »Ich weiß, was ich tue.«
Das glaube ich nicht. Ich schluckte und sah, wie sie erneut in ihre Tasche griff. Dann ertönte ein Geräusch, das mir nur allzu bekannt vorkam. Metallhülsen, die aneinander schlugen. Wie von Lippenstift.
Wie erwartet holte Emilia ein kleines Schminksäckchen hervor. Lippenstift. Eyeliner. Lidschatten. Puder.
Sie wollte mich schminken.
»Du siehst miserabel aus«, sagte sie und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, die mir in der schweißnassen Stirn klebte. Ich fuhr bei ihrer Berührung zusammen. »So kann ich dich auf keinen Fall auf die Öffentlichkeit loslassen.«
»Du bist widerlich«, brachte ich hervor und versuchte, dem Puderpinsel mit einer schnellen Kopfbewegung zu entkommen, aber ich hatte keine Chance.
»An deiner Stelle würde ich einfach mitspielen«, zischte sie und fuhr mit dem Pudern fort. »Ansonsten kommst du hier unten nie wieder raus.«
Ich biss die Zähne zusammen und ignorierte den Schmerz, der durch meinen Kopf jagte. Als sie mir Lippenstift auftrug, verzog ich angeekelt das Gesicht. Sie spielte mit mir wie mit einer Puppe. Als wäre sie ein kleines Kind, das Stylistin werden wollte.
»Schön, dass du mir zustimmst«, lächelte Emilia, als ich alles tatenlos über mich ergehen ließ. Es hatte ja keinen Sinn, sich zu wehren. Ich kam hier unten nicht raus. Nicht, bevor ich aufs Video gesprochen hatte.
Als ich fertig geschminkt und Emilia offenbar mit ihrem Ergebnis zufrieden war, richtete sie sich wieder auf und betätigte einen Knopf am Camcorder. Es piepte kurz, und dann sah ich eine kleine, rote Lampe aufleuchten. Die Kamera lief.
»Gut, du hast eine halbe Stunde Zeit«, sagte sie und hob ihre Tasche hoch. »Wie gesagt, ich möchte jedes Detail wissen. Und keine Spielchen.«
Ich nickte nur.
Emilia wandte sich um und wollte zur Tür zurückgehen, als ihr Blick auf dem Handy hängen blieb, das kurz vor der Tür lag. Ich sah, wie kurz jeder Ausdruck aus ihrem Gesicht wich. »Was haben wir denn da?«, fragte sie. Sie klang gezwungen ruhig. Als hatte sie gerade etwas zutiefst verunsichert.
Dachte sie, dass es an war? Dass ich dieses Gespräch aufgezeichnet hatte? Oder noch schlimmer – dass ich gerade in diesem Moment mit jemandem telefonierte?
Ich biss mir auf
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