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Fluegellos

Fluegellos

Titel: Fluegellos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Cardinal
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wohl: Auf gut Glück.
    Ich tippte die nächste Zahl ein. Und die nächste. Und die nächste.
    Falsche PIN. Verbleibende Versuche: 2.
    Scheiße! Ich atmete noch einmal durch und startete einen neuen Versuch, diesmal mit noch mehr Präzision. Ich kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, so mehr zu erkennen.
    Falsche PIN. Verbleibende Versuche: 1.
    Verdammt. VERDAMMT! Wenn mir das nicht gelang, dann konnte ich alles vergessen. Dann war es zu spät. Dann war meine Karte gesperrt und ich konnte diesen Plan vollkommen vergessen.
    Ich nahm ein paar Mal tief Luft und nickte. Okay. Jetzt. Jetzt musste es klappen.
    Zwei. Die war in der obersten Reihe, direkt in der Mitte. Die Taste leuchtete kurz auf und wurde wieder dunkel. Diese Ziffer hatte ich schon einmal sicher. Die Sieben. Zwei Reihen weiter unten, ganz links. Auch hier direkt ein Treffer. Die Null. Ich biss die Zähne zusammen. Wo war die Null? Vierte Reihe, direkt in der Mitte? Zwischen Stern und Raute? Oder doch an der Seite?
    Mitte , sagte mir meine Intuition. Dann blieb nur noch die Drei, direkt neben der Zwei. Oben rechts.
    27. März. Das Geburtsdatum meiner Mutter.
    Ich schloss die Augen und blinzelte.
    Es hatte funktioniert!
    JAAA! Ich begann wieder zu zittern, und wählte meine Kontaktliste auf. V … ich musste runterscrollen, bis zu Valentin. Und dann streichen.
    Es tutete.
    Ja, verdammt. Ich habe es geschafft! Vor Aufregung verkrampfte ich meine Hände hinter dem Rücken und spürte, wie sie schwitzig wurden.
    Heb ab. Heb ab. Jetzt heb ab!
    »Nina?« Es war Valentin! Er hatte abgenommen! Ich atmete auf.
    Und realisierte, dass ich Paketband vor dem Mund hatte.
    »Valentin!«, rief ich, so laut es ging. Aber ich wusste, dass er es nicht hörte. Es war nur ein ganz, ganz dumpfer Schrei, der genauso gut ein beiläufiges Hintergrundgeräusch sein konnte.
    »Nina! Antworte mir!«
    Tue ich doch! , dachte ich verzweifelt und presste weitere Worte hinaus. Er würde mich nicht hören. Er würde mich nicht verstehen. Es war vollkommen unnütz.
    Im Gegenteil.
    »Nina, bitte, ich habe keine Ahnung, wo du bist! Ich bin gerade bei dir zuhause gewesen. Da ist niemand. Wo zur Hölle steckst du?!«
    Ich bin hier , dachte ich panisch. Direkt unter eurer Wohnung, in eurem Keller! Ich spürte heiße Tränen über meine Wange kullern. Scheiße! Er denkt, dass ich mich wieder umbringen will und warte, dass er auf mich aufmerksam wird. NEIN! »Ich bin in eurem Keller«, flüsterte ich, in der Hoffnung, dass die Laute so deutlicher wurden. Aber es war dasselbe dumpfe Gewimmer wie zuvor.
    »Okay Nina.« Ich hörte das Zittern, das meinen Körper eingenommen hatte, in seiner Stimme. Ich musste ihm irgendwie eine Nachricht zukommen lassen! »Ich weiß wirklich nicht, wo du bist. Gib es auf. Egal, was du versuchst, gib es auf. Ich werde dich jetzt nicht retten können. Weil ich ganz einfach nicht weiß, wo ich noch suchen soll!«
    Dann legte er auf.
    Nein!
    Meine Sicht war verschwommen durch die Tränen, die sich ihren Weg über mein Gesicht bahnten und am Paketband hängen blieben, bevor sie umso schneller in die Tiefe glitschten. Das war der totale Reinfall gewesen. Ich hatte versagt. All die Hoffnung, die sich in mir angestaut hatte, verließ mich wie Luft, die einem angestochenen Luftballon entwich. Ich ahnte, wie Emilia sich gefühlt haben musste.
    Aber das rechtfertigte noch lange nicht, mich in einem Keller einzusperren.
    Ich riss mich zusammen und blinzelte die verbleibenden Tränen fort. Weinen konnte ich, wenn ich in Sicherheit war. Dafür war jetzt keine Zeit.
    Ich tastete wieder nach meinem Handy und versuchte mit zittrigen Füßen, eine Nachricht zu verfassen. Es war schwierig, aber nicht unmöglich. Nach einigen Minuten hatte ich die ersten vier Worte geschafft:
    Valle bin bei euch
    Ich erschrak. Der Bildschirm wurde schwarz.
    Scheiße! , dachte ich und schluckte. Nein. Das durfte jetzt nicht passiert sein!
    Ich drückte auf jedem möglichen Knopf herum und hoffte jedes Mal, dass der Bildschirm wieder aufleuchtete.
    Bitte! BITTE! Ich flehte innerlich weiter, immer wieder, obwohl ich schon realisiert hatte, was gerade passiert war. Mein Handy reagierte nicht mehr. Der Bildschirm war pechschwarz.
    Ich hatte das letzte bisschen Strom aus dem Akku gesogen. Den allerletzten Schluck. Alles weg.
    Ich spürte wieder Tränen in meine Augen steigen. Nein. Das konnte doch nicht wahr sein! Wieso hatte ich mein Handy vorhin – heute Morgen – so schnell wieder vom Strom genommen?!

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