Fluegelschlag
vorn beim Fahrer einzusteigen.
Arian wartete ab, bis John eingestiegen war, und sprang dann unbemerkt auf das Dach des Busses. Unter sich konnte er die Auren der begleitenden Schutzengel sehen. Er blinzelte und blendete dieses etwas irritierende Bild schließlich aus.
Während er ungesehen auf dem Dach mitfuhr, erinnerte er sich, wie Nephthys ihn vor seinem ersten Einsatz auf der Erde gewarnt hatte: »Willst du mit Menschen kommunizieren, musst du es ausschließlich in menschlicher Gestalt tun.«
»Warum?«, hatte Arian, der nie zuvor mit Sterblichen in Kontakt gekommen war, wissen wollen.
»Weil Engel wie du aus Licht geschaffen wurden und in ihrem Inneren die kosmische Kraft tragen, deren Herrlichkeit ein Mensch nicht ertragen kann.«
»Und was geschieht mit gefallenen Engeln?«
Nephthys hatte ihn merkwürdig angesehen, so dass er sich alsbald gewünscht hatte, diese Frage niemals gestellt zu haben. Doch schließlich flüsterte sie: »Sie bleiben, was sie sind. Doch in ihrem Inneren hat sich eine Dunkelheit eingenistet, die so stark ist, dass sie selbst den energetischen Fluss des Universums stören kann.«
Später hatte er herausgefunden, dass Schutzengel ihm durchaus einiges voraus hatten. Sie besaßen die Feinstofflichkeit eines Geistes und konnten Materie wie lebendige Körper gleichermaßen durchdringen. Dafür konnten sie sich einem Menschen nicht zeigen, so wie er es vermochte. Sobald aber Arian in unsichtbarer Form einen Erdenbewohner berührte, konnte dies ganz unterschiedliche Auswirkungen haben: Die einen glaubten ein leichtes Kribbeln zu spüren, andere meinten ein Licht zu sehen. Wieder andere waren so sehr erschrocken, dass im schlimmsten Fall sogar ihr Herz stehen bleiben konnte.
Gabriel hatte es auf den Punkt gebracht: »Das ist wie Feuer - aus der Ferne ist es hübsch anzusehen. Darum sind die Weiber hinter uns her, sobald sie einen von uns erblicken. Gehst du näher heran, wärmt es dich. Deshalb fühlen sie sich in unserer Nähe so entspannt. Berührst du es, verzehrt es dich.«
Normalerweise hatte Arian keine Probleme, in unsichtbarem Zustand einen möglicherweise fatalen Brand zu vermeiden, aber öffentliche Verkehrsmittel waren im großen Weltenbild augenscheinlich nicht vorgesehen gewesen, und so mied er sie vorsichtshalber ebenso konsequent wie Aufzüge und größere Menschenansammlungen.
Die Fahrt dauerte nicht allzu lang, und John verließ wenige Haltestellen später den Bus. Arian sprang vom Dach und bemühte sich, ausreichend Abstand zu halten, während er ihm durch eine belebte Einkaufsstraße folgte. Hier war es leichter, den Menschen auszuweichen, aber ein- oder zweimal streifte er versehentlich doch jemanden. Zuerst war es die Schulter einer Frau. Sie taumelte, fasste sich jedoch schnell und ging ihrer Wege.
Gleich darauf, als es in einer Seitenstraße knallte und ein älterer Mann abrupt stehen geblieben war, um zu sehen, was los war, konnte Arian nicht mehr rechtzeitig anhalten. Sie berührten einander. Der Mann griff sich ans Herz und stolperte. Immerhin, er hatte einen Schutzengel, der Arian mit ein paar deutlichen Handzeichen klarmachte, was er von dessen Ungeschicklichkeit hielt, bevor er sich um seinen Schutzbefohlenen kümmerte. Eine junge Frau wurde auf den Taumelnden aufmerksam und half ihm, sich auf eine Bank zu setzen. Hätte Arian den Mann jetzt mit unsichtbarer Hand berührt, wäre er gestorben - viel fehlte ohnehin nicht mehr.
Dieser Zwischenfall war zweifellos ein weiteres Minus auf seinem Konto. Später würde er seine angelikale Ausstrahlung hoffentlich unter Kontrolle haben, doch jetzt war sie ihm ausgesprochen lästig.
»Alles eine Sache der Konzentration!«, erklang Gabriels Stimme in seiner Erinnerung, und Arian atmete tief durch. Es dauerte länger als üblich, zu seiner gewohnten Kondition zurückzufinden. Daran war ohne Zweifel die pochende Wunde schuld, die ihn immer wieder ablenkte. Wenn bereits die Menschen seine Gegenwart so deutlich spüren konnten, dann hatten Dämonen gewiss auch keine Schwierigkeiten, ihn zu orten.
Prüfend sah sich Arian um. Noch schien er keine unliebsame Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben. Er presste die Kiefer zusammen und beschleunigte seine Schritte, um John nicht zu verlieren. Glücklicherweise bog dieser soeben in eine ruhigere Seitenstraße ein, die leicht bergauf ging. Bald wurden seine Schritte langsamer. Als er wenige Hundert Meter weiter einen Schlüssel aus der Tasche zog,
schnaufte er bereits
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