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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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darauf verschwunden gewesen. Hatte er jetzt Verstärkung geholt?

    Sie beobachtete den Neuankömmling so unauffällig wie möglich. Er war in Menschengestalt, und wie es so ihre Art zu sein schien, sah er großartig aus. Mehr als eine Frau drehte sich nach ihm um, aber auch die Männer betrachteten ihn mit Wohlwollen, was bei einem attraktiven Sterblichen nicht unbedingt der Fall gewesen wäre. Engel lösten bei Menschen positive Gefühle aus, hatte Arian ihr mit einem schiefen Grinsen erklärt, als sie sich einmal darüber beschwert hatte, in der Öffentlichkeit keine fünf Minuten mit ihm allein sein zu können, ohne dass er angesprochen oder zumindest angehimmelt wurde. Hier war nun der Beweis, dass er nicht übertrieben hatte.
    Aber auch als einfacher Mann hätte sich der Engel nicht über mangelndes Interesse der Damenwelt beklagen müssen. Er war mittelgroß, seine dunklen Haare fielen ihm wie ein seidiger Schleier glatt ins Gesicht, und die Art, wie er sie ungeduldig zurückschob, wirkte ungeheuer lässig. Er trug einen gut geschnittenen Anzug, was im Gegensatz zum Rest Europas auf den Britischen Inseln überhaupt nicht ungewöhnlich war. Hier jedoch gehörte er ausnahmsweise zu einer Minderheit, denn in diesem Pub verkehrten eher Künstler und Musiker als Banker oder Büroangestellte.
    Seine Flügel sah sie zwar nicht, aber Juna spürte dieses typische Flattern in ihrem Inneren, das ein untrügliches Zeichen für die Gegenwart eines Engels zu sein schien. Leider lösten Engel aller Couleur dieses Gefühl aus, so dass der Neuankömmling ohne weiteres ein himmlischer oder irdischer Engel sein konnte … oder ein Dämon.
    Suchend sah er sich um. Ihre Blicke trafen sich, und Juna wusste gleich, dass er nicht zufällig hierhergekommen war.
    Sofort beschleunigte sich ihr Puls, Adrenalin würzte ihr
Blut. So unauffällig wie möglich prüfte sie den Raum auf potenzielle Fluchtwege. Welch ein Leichtsinn, dies nicht gleich zu Anfang getan zu haben. Sie entdeckte nur den Gang zu den Toiletten, und die hatten, das wusste sie bereits, so kleine Fenster, dass selbst ein Kind kaum hindurchgepasst hätte. Blieb die Küche. Mit ein bisschen Glück gab es dort einen Hinterausgang.
    »Ist dir nicht gut?«, fragte Sirona besorgt. »Mir ist auch ein bisschen übel. Ich fürchte, wir haben uns überfressen.« Sie überlegte. »Das Beste ist, ich hole uns einen Verdauungsdrink.«
    Diese kurze Ablenkung hatte ausgereicht. Als Juna wieder an ihr vorbei zum Eingang sah, war der Engel verschwunden. Im selben Augenblick hatte sie das Gefühl, ein mindestens achtbeiniges Wesen würde ihre Wirbelsäule hinaufrennen, gleichzeitig stieß Sirona einen gellenden Schrei aus. Juna sprang auf, ihr Stuhl fiel krachend um. Andere Gäste sahen herüber und lachten, denn ihre Freundin hing wie ein Äffchen im Arm eines Mannes. Der Engel.
    Endlich löste sich Sirona und richtete ihre Kleidung. Sie war kein bisschen verlegen - im Gegenteil. Sie grinste, als hätte sie einen Hauptgewinn im Lotto gezogen, und den neidischen Blicken einiger Frauen zufolge teilten die ihre Ansicht.
    »Mein Engel. « Sirona konnte die Finger nicht von ihm lassen. »Darling, das ist meine Freundin, von der ich dir schon so viel erzählt habe«, stellte sie schließlich auch Juna vor, die gerade dabei war, ihren Stuhl wieder aufzurichten, und ihm deshalb nur ein beiläufiges Nicken gönnte. »Hallo!«
    Endlich konnte sie sich wieder hinsetzen und beobachtete nunmehr leicht belustigt, wie ihre Freundin den Mann
ihrer Träume auf die schmale Sitzbank schob, die sie zuvor belegt hatte. »Ich werde uns Drinks besorgen, ihr könnt euch derweil ein bisschen beschnuppern.« Sie drohte Juna mit dem Finger wie eine mahnende Gouvernante. »Aber nicht zu viel, hörst du!« Im Nu war sie verschwunden.
    »Du bist die Engelseherin«, eröffnete er das Gespräch etwas abrupt.
    Da Sirona nichts von ihren Talenten wusste, war Juna erst einmal sprachlos. Wie hatte er das erfahren?
    »So etwas spricht sich schnell herum«, sagte er.
    Nun war sie auf der Hut. Noch einmal würde er ihre Gedanken nicht lesen können. Auch ohne darüber nachdenken zu müssen, besaß sie inzwischen einen recht ordentlichen Schutz gegen das unbefugte Eindringen in ihre Gedanken, das hatte Lucian ihr erst kürzlich bestätigt.
    »Ich habe keinen Bedarf an einer Psychotherapie.« Juna schlug ihm die Tür zu ihrem Inneren vor der Nase zu.
    »Die vielseitig talentierte Seherin, sollte ich vielleicht sagen.« Er

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