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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Begegnung mit dem Michaelisschwert würde ihm vermutlich noch lange erhalten bleiben. Und noch ein weiteres Souvenir war dazu angetan, ihn den Sturz niemals vergessen zu lassen: ein fremdartiges Geflecht aus Formen und Linien zog sich über seine Schulter und um den linken Oberarm. Der Unterschied zu einer Tätowierung bestand darin, dass sich die Farben je nach Lichteinfall veränderten, wodurch der Eindruck entstand, unter seiner Haut krieche etwas Lebendiges herum. Juna hatte darauf bestanden, noch einmal nach seiner Wunde zu sehen. Später war das einzige Zugeständnis, das er ihr abgewinnen konnte. Er freute sich nicht darauf, dieses Phänomen vor ihr zu verbergen.

    Arian sah sich um und fand schließlich in einem Schubfach, was er suchte: frisches Verbandsmaterial. Das würde ihn vorerst vor neugierigen Blicken schützen. Er stützte beide Hände auf das Waschbecken und schaute tief in den Spiegel hinein. »Komm schon, Nephthys! Schick mir endlich deinen Boten!«
     
    Juna bereitete sich für die Sprechstunde vor. Gerade zog sie den weißen Kittel über, da läutete es bereits an der Tür. »Es ist offen!«, rief sie und ging nach einer Weile in den Flur, um nachzusehen, warum niemand hereinkam. Mrs Stewart stand mit leicht geöffnetem Mund im Hausflur, ihren Pudel an der Leine, und rührte sich nicht von der Stelle. Zum ersten Mal, seit sie ihre Nachbarin und deren Pudel Rosie kannte, blieben beide stumm. Sie sah sich nach dem Anlass für dieses erstaunliche Verhalten um und musste sich beherrschen, nicht ebenfalls zu starren. Ihr Hausgast ging auf eine Art die Treppe herunter, die es einfach unmöglich machte, ihn zu ignorieren. Die Jeans ihres Großvaters, die er in den letzten Jahren nicht mehr getragen hatte, war etwas zu groß, aber der breite, ebenfalls längst ausrangierte Gürtel hielt sie sicher auf Arians Hüften. Das weiße T-Shirt dagegen saß wie eine zweite Haut. Die schwarzen Haare wellten sich bereits, obwohl sie von der Dusche noch feucht glänzten und man Kammspuren sah. Obwohl Arian frisch rasiert war und seine Haut glatt und irgendwie küssenswert wirkte, wie Juna fand, sah er aus wie ein nur vorübergehend gezähmter Pirat. Seiner Wirkung auf die beiden Frauen schien er sich gar nicht bewusst zu sein. Er lächelte freundlich und ging in die Hocke, um den Pudel unterm Kinn zu kraulen. »Na, was fehlt dir denn, My Love?« Rosie wedelte
mit dem seltsam frisierten Schwanz und warf sich gleich darauf auf den Rücken. Mrs Stewart seufzte. »Wenn sich doch mal einer so nett nach meinem Befinden erkundigen würde!«
    Juna hatte etwas Ähnliches gedacht, doch nach dieser Bemerkung hätte sie sich lieber die Zunge abgebissen, als ihre Sehnsüchte laut auszusprechen. »Kommen Sie«, sagte sie stattdessen und freute sich über den neutralen Klang ihrer Stimme. »Ich sehe mir Ihren Hund an.«
    »Wer ist das?« Mrs Stewarts Flüstern war unüberhörbar.
    Arian reichte ihr die Hand. »Entschuldigen Sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Arian.« Er zwinkerte Juna zu. »Ich bin ein Freund der Familie.«
    Mrs Stewart kicherte wie ein Teenager. Als sie ins Behandlungszimmer eilte, wo Juna bereits auf sie wartete, war ihr das Bedauern anzusehen. Ein Freund der Familie? Was hatte er sich dabei gedacht?
    Mrs Stewart wohnte nur ein paar Häuser weiter und kam seit Juna denken konnte mit einem Zwergpudel namens Rosie in diese Praxis. Besonders gern fand sie sich sonntags ein und blieb auf eine Tasse Tee. Die derzeitige Rosie war erst vier Jahre alt und ein Rüde, doch Mrs Stewart war sehr traditionsbewusst. Bereits ihr erster Hund habe diesen Namen getragen, und sie würde mit dieser Gepflogenheit nicht brechen, bloß weil der Züchter ihr dieses Mal ein männliches Tier aufgeschwatzt hatte. Dem Hund fehlte glücklicherweise selten etwas. Trotzdem horchte Juna sein kleines Herz ab, während Mrs Stewart aufgeregt hin und her trippelte. »Ich habe den jungen Mann noch nie hier gesehen.«
    »Er gehört zur Familie meiner Stiefmutter, die Londoner
Seite«, beeilte sich Juna zu erklären und schämte sich, weil sie dem Mann damit keinen Gefallen getan hatte. Die meisten Leute hier kannten ihre Stiefmutter, und Johns arrogante Auftritte hatten auch nicht eben dafür gesorgt, dass eine Freundschaft mit ihm eine besonders gute Referenz gewesen wäre. Sie sah in Rosies Ohren. Arian. Sein Name wollte ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen. Der Hund leckte ihr mit seiner kleinen pinkfarbenen Zunge über den

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