Fluegelschlag
Champagner, und obwohl Juna nach dem anstrengenden Tag sicher war, dass sie nichts Alkoholisches trinken sollte, stieß sie mit Sirona an. Finn hielt gebührenden Abstand und gab ein leises Winseln von sich.
»O Gott! Der Hund.« Juna sah Sirona flehend an.
»Schon gut. Ich nehme ihn heute Nacht zu mir. Aber unter einer Bedingung!«
»Und die wäre?« Juna ahnte, was sie sagen würde.
Sirona enttäuschte sie nicht. »Ich will alles über diese Party wissen. Versprochen?«
»Einverstanden. Sofern es jugendfrei ist, natürlich nur.«
Die Reaktion fiel wie erwartet aus. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mich mit der FSK-Version zufriedengebe!« Sie lachte und rief nach Finn. »Komm, du schwarzer Teufel. Frauchen hat heute etwas Besseres vor, als mit dir durch den dunklen Park zu streifen.«
Die beiden Frauen verabschiedeten sich an der Wohnungstür, und Juna schloss sicherheitshalber zweimal ab.
»Das Warten hat sich gelohnt.«
Sie fuhr herum. »Lucian, warum musst du mich immer so erschrecken?«
Er lachte. »Lass dich anschauen. Deine Freundin hat Recht, du siehst wirklich bezaubernd aus.« Sanft strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Und diese Haarfarbe! Als hättest du geahnt, dass ich das Spiel mit dem Feuer liebe.«
Juna hatte sich vorgenommen, sich nicht wieder auf einen Flirt mit ihm einzulassen, und musterte Lucian anstelle einer Antwort. Er trug einen eleganten Abendanzug, der, wie konnte es auch anders sein, so makellos saß, dass er zweifellos maßgeschneidert war. Anstatt bloß seriös darin auszusehen, wirkte er jünger und auch ein bisschen verwegen.
»Du scheinst heute Großes vorzuhaben!«
Er quittierte ihre Bemerkung mit einem sinnlichen Blick, der ihr Inneres sofort in Aufruhr versetzte. Vielleicht hätte sie sich doch besser für Finn als Begleiter entschieden. Dafür war es nun zu spät. Die kleine Fee erschien, und Lucian reichte Juna seinen Arm. »Bist du bereit?«
Nach kaum merklichem Zögern legte sie ihre Hand auf seine. »Selbstverständlich.«
22
D ie Reise ins Feenreich war unspektakulär. Eben noch hatte Juna versucht, ihre Augen vor dem Staub zu schützen, den die Begleiterin aus der Anderwelt ihnen entgegenblies, da stand sie schon am Rand eines geradezu endlosen Saals, der von riesigen Kronleuchtern in weiches Licht getaucht wurde. Unzählige geschliffene Kristalle funkelten mit dem Schmuck der weiblichen Gäste um die Wette.
Juna war erleichtert, Lucian neben sich zu sehen, der gerade vergeblich versuchte, den glitzernden Pixie-Staub von seinem Ärmel zu wischen.
»Sind das alles Feen?«, fragte sie so leise wie möglich.
»Die meisten, nehme ich an.« Er klang weit weniger enthusiastisch als Juna.
Es mussten Hunderte sein, die das Brautpaar zu ihrer Vermählung eingeladen hatte. Einige der Festbesucher sahen allerdings etwas merkwürdig aus. Welcher Mensch wäre schon auf die Idee gekommen, ein Hirschgeweih zu tragen, auch wenn es so hübsch mit Blattwerk und glitzernden Spinnenweben verziert war wie jenes, das auf dem Kopf einer eleganten Fee an ihnen vorüberzog. Auch über einen Hut aus roten Korallen hätten die Klatschblätter in Junas Welt sicherlich noch lange geschrieben, aber vielleicht taten sie es hier ja ebenfalls, und die Frau mit der Medusenfrisur würde den nächsten Titel der Fairy Claire zieren.
»Du musst Juna sein! Wir haben schon auf dich gewartet.«
Eine blonde Fee in einem rosafarbenen Kleid kam auf sie zu. An ihrer Seite stand ein junger Mann, der Lucian ein bisschen ängstlich ansah, wie ihr schien. Er verbeugte sich steif und sagte: »Die Jungfern haben einiges zu besprechen, wir treffen sie später im Salon wieder. Wenn Sie mir bitte folgen möchten.«
Lucian sah aus, als wollte er widersprechen, doch dann fügte er sich in sein Schicksal, zwinkerte Juna aufmunternd zu und verschwand mit seinem Begleiter in der Menge.
»Ist dein Freund wirklich ein Dämon?«
»Ein gefallener Engel.« Juna korrigierte sie, ohne darüber nachzudenken, denn das Wort Dämon hinterließ, wenn es ausgesprochen wurde, stets einen unangenehmen Geschmack auf ihrer Zunge. Beinahe, als sei Nácar wiederauferstanden. »Oh, entschuldige. Ich wollte nicht unhöflich klingen.«
Die Fee sah sie mitleidig an. »Ich bin Nala, Nigellas Schwester. Wir wissen alle, was dein Freund«, sie zeigte in die Richtung, in der Lucian verschwunden war, »auf sich genommen hat.«
»Lucian?« Juna sah sie überrascht an. »Er ist nicht mein Freund. Also, er ist
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