Fluegelschlag
Natürlich hatte er ihn nicht nur ewige Treue schwören lassen, sondern den leichtsinnigen Engelseher bei dieser Gelegenheit auch gezeichnet, also mit einem der drei dämonischen Siegel versehen, und damit den Anspruch auf seine Seele geltend gemacht. Mit dem dritten Zeichen gehörte der Mensch dann endgültig dem Dämon und musste ihm mindestens neunundneunzig Jahre dienen.
Ein Gezeichneter konnte sich zwar theoretisch freikaufen, in der Praxis gelang dies jedoch selten, weil die dämonischen Verträge eben immer einen Pferdefuß hatten.
John trug Nácars erstes Zeichen in Form einer Schlange, die sich um seinen linken Knöchel wand, und der Dämon erinnerte sich amüsiert an den empörten Aufschrei, als John die Tätowierung entdeckte. Er erklärte ihm, dass sie nur ein Unterpfand dafür sei, dass er auch wirklich seine Schulden zurückzahlte, und hatte damit noch nicht einmal die Unwahrheit gesagt.
Ahnungslos, dass er bereits ein Drittel seiner Seele verkauft hatte, ging John seinem gewohnten nutzlosen Zeitvertreib nach. Er wettete auf Pferde oder den Wetterbericht der nächsten Woche, er wettete auf den Ausgang von Fußballspielen und darauf, wann der Thronfolger seine Verlobung
bekanntgeben würde. Er verwettete buchstäblich seinen Kopf und - das erfreute Nácar ungemein - versuchte so gut es ging zu vermeiden, ihn um Hilfe zu bitten.
Natürlich hatte der Dämon eine Lösung parat: Er bot an, ihn für die Engelseherdienste zu bezahlen. Das sei ein faires Geschäft, erklärte er John, der anfangs moralische Bedenken geäußert hatte, und versprach, die Schutzengel am Leben zu lassen.
John willigte ein, fest davon überzeugt, sie wären nun Geschäftspartner.
Neuerdings hatte es ihm der Genuss von Kokain angetan. Eine Droge, die besonders im Spiel zu Selbstüberschätzung und leichsinnigen Einsätzen verführte.
All dies hätte ausgereicht, um ein zweites Siegel als Zeichen der Dankbarkeit zu fordern, doch Nácar wusste nicht, ob eine engere Bindung Einfluss auf Johns Talent haben würde. Und deshalb musste er ihn so lange gewähren lassen, wie er nicht riskieren wollte, dass sein wichtigstes Werkzeug stumpf wurde.
8
A rian eilte durch die Straßen. Den Regen spürte er ebenso wenig wie den aufkommenden Wind, der seinen Mantel blähte wie das dunkle Segel eines Piratenschiffs. Die Schultern hochgezogen, die Hände tief in den Taschen vergraben, stemmte er sich gegen die Elemente, bis er begriff, was er da tat. Sofort verlangsamten sich seine Schritte, und er absorbierte die Energie, die von der Natur so großzügig verschenkt wurde. Cathure hatte ihn diesen Trick gelehrt. Nicht gegen, nur mit den Elementen gewann man eine Schlacht.
Arian ließ sich von einer besonders heftigen Böe emporheben und wurde eins mit dem Wind, der ihn seinem Ziel entgegentrug, wie er es seit Tausenden von Jahren getan hatte. Kurz darauf landete er auf dem Balkon vor Cathures Hauptquartier in der Stadt. Die Türen öffneten sich von selbst, und ein Windstoß wehte ihn herein wie Blätter im Herbststurm.
»Netter Trick.« Cathure schloss die Fenster hinter ihm und zog die Vorhänge zu.
»Habe ich bei dir gelernt.«
»Oh, tatsächlich?« Der Feenprinz neigte den Kopf, um anzudeuten, dass er die Anerkennung seiner Fähigkeiten durchaus zu schätzen wusste. Seiner Erfahrung nach hielten
sich die Engel für die Krone der Schöpfung und bedienten sich der Talente ihrer Mitgeschöpfe, als sei es ihr gutes Recht. Natürlich ohne jemals Dank dafür zu zeigen. Arian war eine Ausnahme. Und natürlich die Schutzengel, aber die zählten nicht. Sie waren so fixiert auf das Wohlergehen ihrer Menschen, dass sie den Kontakt zu anderen Kreaturen vermieden, wo es nur ging.
»Die Wohnung habe ich dir zu verdanken, schätze ich.«
Cathure lächelte.
Niemand war perfekt, und Arian konnte sich gewiss nicht damit rühmen, ein begnadeter Diplomat zu sein. Andererseits - wie sollte ein Engel diese Fähigkeit auch entwickeln? Sie erforderte Fingerspitzengefühl und eine gehörige Portion Empathie. Beides waren Eigenschaften, die man den himmlischen Kämpfern nicht mitgegeben hatte. Ihre verstoßenen Brüder und Schwestern taten sich schwer, überlebenswichtige Fertigkeiten zu erwerben, was allein schon ausreichte, ihnen den Ruf einzubringen, arrogante und selbstgefällige Zeitgenossen zu sein, die man besser mied. Darin unterschieden sie sich nicht von den Kindern des Lichts, die sie einmal gewesen waren.
Cathure war einer der wenigen seiner
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