Fluegelschlag
Art, die sich über derlei Vorurteile hinwegsetzten, weil er ähnlich wie die Engel seine Entscheidungen stets emotionslos traf. Niemand, der sich von Gefühlen leiten ließ, blieb so lange an der Macht wie er. Bei seinen Entscheidungen war es ihm nie um seinen eigenen Vorteil gegangen. Stattdessen hatte er stets das Überleben seines gesamten Volkes im Auge gehabt, auch wenn ihm das durchaus nicht immer Sympathien bei allen Feen einbrachte.
Gabriel, dessen Auftauchen in seiner Stadt er argwöhnisch
beobachtete, war ihm niemals ganz geheuer gewesen. Seine Bitte, Arian das luxuriöse, aber mit großer Sorgfalt und viel magischem Können geschützte Penthouse auf unbestimmte Zeit zu überlassen, hatte Cathure überrascht. Gabriel hatte sich schon immer besser als jeder andere Engel, den er je getroffen hatte, darauf verstanden, die Beweggründe für sein Handeln zu verschleiern. Und so war es nicht nur seine Sympathie für Arian, die Cathure dazu bewegte, dem Wächter das luftige Refugium zu überlassen, das er normalerweise als Gästehaus nutzte, sondern auch eine gehörige Portion Neugier.
Cathure wusste, dass beide bis vor kurzem ein Team gewesen waren. Dass sich Gabriel für Arian verwandte, war ungewöhnlich, und dass sie immer noch Kontakt hielten, bestärkte ihn in seinem Wunsch, sich Arian jetzt noch genauer anzusehen - auch wenn er damit Gefahr lief, sich seinen Unmut zuzuziehen.
O ja, er war dunkler geworden, sein engelhafter Freund. Aber nicht die Aura war es, die ihre Farbe geändert hatte - obwohl Cathure auch darin eine leichte Veränderung zu entdecken glaubte, trübte kein Schatten den erhabenen Glanz.
Eine Tatsache, die ihm Rätsel aufgab. Er fragte sich, ob Engel - gefallen oder nicht - überhaupt wussten, wie ihre Auren beschaffen waren. Man musste Schicht für Schicht abtragen, bis das reine, wahre Licht einer Seele sichtbar wurde. Und hier war es, wo Cathure neuartige Schwingungen bemerkte. Er gehörte zu den wenigen Wesen in dieser Welt, die das Talent besaßen, mehr aus dieser visualisierten Ausstrahlung lesen zu können, als auf den ersten Blick sichtbar wurde. Ein Talent, das ihm schon häufig das Leben gerettet hatte.
Die Gefühle, die er immer schon in Arian zu sehen geglaubt hatte, schienen nicht nur stärker geworden zu sein, sie waren regelrecht in Aufruhr geraten. So sehr, dass er sich ein Schmunzeln verkneifen musste, als sich ihm die Quelle dieser Veränderung offenbarte.
Er speicherte diese Beobachtung wie alle anderen auch, um sie zu einem späteren Zeitpunkt nutzen zu können, sollte es jemals erforderlich werden. Als er bemerkte, dass sich Arian unter seinem prüfenden Blick allmählich unwohl fühlte, ließ er es vorerst dabei bewenden und machte eine einladende Geste. »Sei mein Gast, solange du willst.«
»Danke.« Nie zuvor hatte sich Arian bei diesem Wort so merkwürdig gefühlt wie jetzt. Natürlich hatte er sich auch früher schon bedankt, weil andere es ebenfalls taten und es erwartet wurde. Konnte es etwa echte Dankbarkeit sein, die er nun empfand? Ihm war klar, dass der Feenprinz ihn genau beobachtete. Und er wusste sehr wohl, dass Cathure eine besondere Form der Empathie beherrschte, über die er gern mehr erfahren hätte. Doch das musste warten.
Der Prinz verschränkte die Arme vor der Brust. »Unter einer Bedingung allerdings.«
Aha! Da war sie wieder, diese unsägliche Eigenart der magischen Kreaturen, für jeden Gefallen, jede Geste der Sympathie eine Gegenleistung zu verlangen.
Arian tat gut daran, sich rasch an diese Gepflogenheiten zu gewöhnen, sollte er in Zukunft in ihrer Welt leben müssen.
Es war wie ein riesiges Spiel. Man sammelte Reichtümer an, um sie zum richtigen Zeitpunkt klug zu investieren. Im Grunde war ihm ein solches Handeln zuwider, obwohl er alle
Voraussetzungen mitbrachte, um erfolgreich mitzuspielen. Man sagte ihm nicht ohne Grund nach, er verfüge über ein selbst für Wächter bemerkenswert ausgeprägtes Talent, langfristig angelegte Strategien zu entwickeln und dabei flexibel genug zu sein, diese spontan zu ändern - was selten nötig war.
Jetzt aber hatte er anderes im Sinn, und plötzlich sehnte er sich nach Juna und nach den Augenblicken bedingungsloser Hingabe, die er mit ihr erlebt hatte. In den wenigen Tagen seit seinem Sturz schien sie ihm gleichsam Anker und Refugium geworden zu sein. Er wappnete sich gegen die unerfreuliche Forderung, die Cathure mit Sicherheit gleich stellen würde, und fragte so neutral wie
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