Flüsterherz
Orchesterproben. Wieso?«
»Sie hat vorhin angerufen«, sagte Ma. »Ist die Hockeysaison nicht vorbei?« Sie führte was im Schilde, das merkte ich genau. Wenn sie so harmlos tut, dann hat das immer einen Grund. Gleich würde sie ihr spezielles Ma-Lächeln aufsetzen, mit dem sie jeden um den kleinen Finger wickelt. Mich eingeschlossen.
»Diese Neue in deiner Klasse«, fuhr Ma fort. »Mit der bist du jetzt oft zusammen, stimmt’s?«
Und da war es: das Lächeln. Sie redete weiter: »Ich hab gehört, dass ihre Eltern ziemlich unkonventionell sind. Ob das Mädchen eine geeignete Freundin für dich ist?«
Hatte Sam mich angeschwärzt? Oder hatte Eileen sich verplappert? Eins war sicher: Ma wusste Bescheid.
»Klatsch und Tratsch sind doch sonst nicht dein Ding, Ma«, sagte ich nur.
»Darum geht es nicht, Anna. Ich bin lediglich besorgt, das Mädchen könnte einen schlechten Einfluss auf dich haben. Man kann nicht immer nur tun und lassen, worauf man ge--rade Lust hat.«
»Was soll das heißen? Was für einen schlechten Einfluss meinst du?«, ärgerte ich mich. »Ich fühl mich bei Tibby wohl. Da darf man wenigstens leben. Hier fühlt man sich ja fast wie in einem kalten, sterilen Labor!«
Sekundenlang war es still.
Pa schnitt bedächtig seinen Hamburger klein, spießte einen Happen auf die Gabel und musterte mich dann eingehend. »Da haben wir wohl eine Rebellin im Haus«, sagte er.
Ma strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte unbeirrt weiter. »Ich finde es ja nett von dir, wenn du dich ein wenig um das Mädchen kümmerst. Aber du darfst dich nicht zu sehr von ihr beeinflussen lassen, Liebes«, sagte sie sanft. »Ich möchte nicht, dass du Schwierigkeiten bekommst.«
»Was heißt hier ›kümmern‹ und ›Schwierigkeiten bekommen‹? Wir sind Freundinnen und damit hat sich’s!«, rief ich wütend.
»Dann ist ja gut«, sagte Ma.
Aber Pa musste noch eins draufsetzen. »Ist die Rebellion erst mal ausgebrochen, kannst du sie so schnell nicht wieder aufhalten.« Er gabelte noch ein Stück Hamburger vom Teller und zwinkerte mir beim Kauen ernst zu, als wollte er sagen: Nimm dich in Acht, Anna!
3
Am Montag schwänzte Tibby schon wieder. Abends gab es ein heftiges Gewitter und am Dienstag war es endlich nicht mehr so schwül.
Wir hatten früher Schulschluss. Tibby und ich fuhren zusammen mit dem Rad zu ihr.
»Mit dir war’s am Strand viel schöner«, sagte sie. »Warum wolltest du gestern nicht mit?«
Was sollte das? Ich hatte ihr doch erzählt, dass Ma mir auf die Schliche gekommen war.
»War besser so«, murmelte ich. »Aber wir könnten heute noch schwimmen gehen.«
»Gute Idee. Und vorher ackern wir ein bisschen im Garten«, sagte sie. »Am besten nimmst du ein, zwei Salatköpfe für deine Ma mit, das findet sie bestimmt gut, und sie kriegt sich im Nu wieder ein.«
»Im Garten ackern? Das soll Spaß machen?«, fragte ich sie zweifelnd.
»Aber sicher. Und danach springen wir in den Krummen Rhein, gleich hinterm Haus.«
»Igitt!«
»Das Wasser ist total sauber. Man kann es sogar trinken.«
»Okay, dann fahre ich schnell nach Hause und hole mein Badezeug«, sagte ich.
»Ich schwimme immer nackt.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich das wollte, deshalb sagte ich nichts weiter dazu.
Kaum waren wir beim Haus angekommen, zog mich der betörende Duft der Geißblattblüten wieder wie magisch an. Wir lehnten die Räder an die Hecke.
Dann brachte Tibby mir bei, was echte Gartenarbeit ist. Schon bald hockte ich mit einem alten Strohhut auf dem Kopf und einer Hacke in der Hand da und war voll und ganz damit beschäftigt, die Erde im Gemüsebeet zu lockern. Wir suchten Schnecken vom Salat, jäteten Unkraut zwischen den Bohnen und dem Mais und warfen es für die Hühner auf einen Haufen. Tibby begutachtete jede einzelne Pflanze mit dem kritischen Blick einer erfahrenen Gärtnerin.
»Die Dicken Bohnen müssen geerntet werden«, sagte sie. »Schau mal, sie sind voller Läuse. Und den Spitzkohl haben die Raupen vom Kohlweißling angefressen.«
»Was du alles weißt.«
»Ich helfe Jeff ja auch schon, seit ich laufen kann, bei der Gartenarbeit.«
»Jeff? Ist das dein Vater?«
»Ja. Der Garten ist sozusagen sein Baby. Wenn er zu Hause ist. Ansonsten kümmere ich mich darum.«
»So wie jetzt?«
»Ja, mein Pa ist zurzeit in Deutschland. Auf Tournee mit MaiZZ.«
»MaiZZ? Etwa die Band?« Ich horchte auf. »Im Ernst? Das ist ja der Hammer!«
Eileen hatte einen YouTube-Film von MaiZZ auf ihrem
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