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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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Tibby meine beste Freundin sein können? Zu einer besten Freundschaft gehört auch Geborgenheit und nicht, jeden Tag aufs Neue in Staunen versetzt zu werden. Falls ich tatsächlich eine beste Freundin habe, dann ist das wahrscheinlich Eileen. Aber ohne dass das je ausgesprochen werden musste
.
    Das wurde mir erst durch Tibby klar. Dass es unterschiedliche Arten von Freundschaft gibt, von denen sich jede anders anfühlt, und dass man darüber sprechen kann. Mit Eileen war das nie ein Thema. Und zu Hause reden wir auch nicht über Gefühle
.
    Die Gespräche mit Tibby waren etwas Besonderes. Sie fehlen mir sehr
.
    Ich würde so gern darüber schreiben, aber die Worte verschanzen sich hinter einer Mauer aus Tränen. Ohne Tibby ist alles wieder so kahl und logisch und steril wie früher. Nur hat mich das vorher nie zum Weinen gebracht. Jetzt ertrinke ichfast in Tränen. Wie ein Frühlingsregen prasseln sie auf die Seiten nieder und das nass geregnete Buch scheint zu flüstern
.
    »Sie ist fort«, raunt es. »Und sie kommt nie mehr wieder.«
    Ich höre es ganz deutlich. Ist es ein Gedanke, tief in mir, oder spricht das Buch tatsächlich? Ich schiebe es weg, weil ich mich viel lieber an die ausgelassene Stimmung damals erinnern möchte. An Tibby, wie sie sich ganz selbstverständlich auszog und nackt ins Wasser sprang – etwas, das mir ohne sie niemals in den Sinn gekommen wäre. Und dann denke ich auf einmal wieder an ihre Entscheidung
.
    »War es nicht auch ein Stück weit deine Schuld?«, flüstert das Buch
.
    Die Frage lässt mich nicht mehr los. Ich hatte es doch kommen sehen. Warum habe ich nicht mehr dagegen unternommen?
    Plötzlich packt mich die Wut. Auf mich, auf das Buch, auf Tibby, auf alle. Das Buch sollte mir helfen, aber es hilft absolut nicht. Ich habe schlimmere Schuldgefühle denn je
.
    Ich wische mir die Tränen ab, während die Daunenwolken am Himmel ungerührt weiterziehen
.
    Wie damals
.

4
    Tibby und ich lagen im Gras und dösten in der Sonne, als wir einen Dieselmotor tuckern hörten.
    »Das ist Jeff!« Tibby sprang auf. »Aber der ist doch in Deutschland?!«
    Ich raffte meine Kleider zusammen und zog mich in Windeseile an.
    Ein hochgewachsener, dünner Mann kam durch den Rosenbogen. Nackt, wie sie war, stürmte Tibby auf ihn zu.
    Das also war der unvergleichliche Jeff. Er war nicht dunkelhäutig, wie ich erwartet hatte, sondern so weiß wie ich, trug einen Lederhut und hatte das lange Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
    »Hi, sweet pea of mine.«
Er sprach langsam, mit starkem amerikanischem Akzent. Und strich über Tibbys Zöpfchen. »Du warst schwimmen, was?«
    Sweet pea?
, dachte ich. Süßerbse? Wer nennt denn seine Tochter Süßerbse? Er war doch kein Indianer.
    »Du bist früh zurück, Jeff«, sagte Tibby, während sie ihre Sachen anzog. »Das hier ist übrigens Anna.«
    »Hi, Anna. Great to meet you.«
    »Hallo, Jeff«, sagte ich.
    Er nickte mir zu. »Als Erstes brauch ich einen Kaffee«, sagte er. »Und dann laden wir den Bulli aus.«
    »Erst ausladen, dann Kaffee – ich kenn dich«, sagte Tibby resolut. Mit einem Mal ähnelte sie ihrer Ma. Ich fühlte mich unsicher und war froh, mithelfen zu können.
    Der Kleinbus war voller großer schwarzer Kisten, wahrscheinlich lauter Musiksachen. Schweigend schleppten wir sie hinein, und als alles im Flur stand, kochte Tibby Kaffee.
    Ich ließ mich auf das orangefarbene Sofa fallen und kam mir ziemlich überflüssig vor.
    Jeff saß am Küchentisch, drehte sich eine Zigarette und streute etwas Grünliches in den Tabak. War das etwa ein Joint? Ich staunte nicht schlecht und wartete auf eine Reaktion von Tibby. Aber sie nahm nur die Gitarre von der Wand und gab sie Jeff. Er begann zu spielen.
    Es klang so einzigartig schön, dass ich ins Träumen geriet. Tibby hantierte in der Küche herum und machte hin und wieder eine Bemerkung, ganz so, als wäre es die normalste Sache der Welt, dass ihr Pa supertoll Gitarre spielte und sich dabei einen Joint reinzog.
    Ich hörte kaum, was sie sagte, und überließ mich ganz der Musik. Jeff spielte Stücke, die ich auch ohne Worte verstand. Sorge dich nicht, genieße den Tag … Ich schaute verträumt aus dem Fenster.
    »What do you think?«
, sagte Jeff nach einer Weile zu Tibby. »Ist genug Brokkoli da? Für ein Festessen zu viert?
Wanna join us, Anna?
Du isst doch mit, oder?«
    Ich rief Ma an. Kaum zu glauben: Ich durfte tatsächlich bleiben, wenn auch mit der Auflage, nicht zu spät nach Hause zu

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