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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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wohl nicht infrage, oder?«

6
    »Überleg dir, was du willst«, hatte JP gesagt. Dieser Satz ging mir immer wieder durch den Kopf.
    Was wollte ich? Ich hatte unendlich viele Möglichkeiten. Ich könnte Rektorin werden, Herzchirurgin, Botschafterin, Unternehmerin, Premierministerin, Museumsdirektorin, Spionin, Astronautin. Oder auch Künstlerin. Wie sollte ich das wissen oder gar entscheiden? Ich wusste lediglich, was ich
nicht
wollte: bei einer Versicherung oder in einer Apotheke arbeiten.
    Und vor allem wollte ich, dass Easy sich in mich verliebte. Ich wollte seine Freundin Nummer 1 sein, nicht Nummer 343.
    Am Freitag war er mit ein paar anderen zum Hofdienst abkommandiert worden. Wenn ich daran zurückdachte, schämte ich mich fast zu Tode. Ich hatte mich möglichst unauffällig auf dem Schulhof rumgetrieben, und jedes Mal wenn er in meine Nähe kam oder mir zulächelte, hatte ich weiche Knie bekommen und war rot wie eine Tomate geworden. Eine absolute Katastrophe!
    Überleg dir, was du willst
– JP hatte gut reden.
    Ich wollte, dass meine Eltern nicht so brav und spießig und immer nur auf ihre Arbeit fixiert waren. Ich wollte gern mal mit Ma shoppen gehen und dass wir uns abends öfter zusammensetzten und etwas spielten oder gemeinsam einen Film anschauten. War das zu viel verlangt?
    Ich wollte nach Ägypten, auf einem Kamel durch die Wüste reiten und in einer langen Kutte bei den Beduinen orientalischen Minztee aus einem zierlichen Kristallglas trinken.
    Ich wollte eine Katze, am liebsten eine ganz junge rote mit weißen Pfötchen. Oder eine rabenschwarze mit smaragdgrünen Augen.
    Und am allerliebsten wollte ich, dass Tibby wieder so vergnügt und unbeschwert war wie im Sommer. Ich wollte, dass sie wieder von Herzen lachte, bessere Noten schrieb und sich nicht ständig mit irgendwelchen Sorgen herumquälte.
    Ich wollte das wunderbare Geißblattgefühl wieder erleben. Aber es war November, das Geißblatt war längst verwelkt und mit seinen Blüten war auch das herrliche Gefühl verschwunden.

Nein
    »Machst du neuerdings eine auf Musterschülerin, oder was?«, fragte Tibby, als ich am Freitag darauf bei ihr am Küchentisch saß. Ich hatte Wodka auf dem Schoß und kraulte ihm das Fell. »Warum hast du mir heute bei der Mathearbeit nicht geholfen? Ging doch bloß um eine lumpige Aufgabe.«
    »Ich will nicht von der Schule fliegen. Du weißt doch, dass JP mich gewarnt hat.«
    »Als ob man wegen so was von der Schule fliegt! Hilfst du mir beim nächsten Mal? Bitte, Anna. Du kannst mich doch nicht hängen lassen!«
    Ich hatte keine Lust, das jetzt zu diskutieren. Davon würde ich bloß wieder Bauchschmerzen bekommen.
    »Was ziehst du eigentlich heute Abend an?«, wechselte ich rasch das Thema. Wir wollten ins
Sisters
. Ich freute mich schon tagelang darauf. »Tarik kommt übrigens auch.«
    »Ach ja?« Sie gähnte scheinbar gelangweilt.
    »Was ist? Stehst du nicht mehr auf ihn?«
    Sie zögerte. »Wie findest du Tarik denn? Nett oder eher albern?«, fragte sie plötzlich.
    »Er ist ein witziger Typ, ich mag ihn ganz gern.«
    Sie spielte mit einem ihrer Zöpfe herum.
    »Warum fragst du? Wichtiger ist doch, wie
du
ihn findest.« Ich streichelte Wodka über seine weichen Ohren. Das mochte er anscheinend nicht, denn mit einem Mal sprang er von meinem Schoß und begann, in der Küche herumzuspazieren. Erst schnüffelte er an der Waschmaschine, dann an einem Tischbein und schließlich am Computergehäuse. Dort hockte er sich hin und pinkelte einfach dagegen.
    Der PC gab ein dumpfes Brummen von sich und ging dann schlagartig aus.
    Mit einem Schrei sprang Tibby auf. »Du Miststück!« Sie versetzte Wodka einen heftigen Tritt mit dem Fuß. Er miaute kläglich und sauste wie der Blitz davon. Tibby wollte hinter ihm her.
    Ich hielt sie am Ärmel fest. »Lass die Katze in Ruhe!«, rief ich.
    Ich machte mich daran, mit einem Küchenhandtuch die Lache aufzuwischen.
    Tibby stand daneben, völlig außer sich. »Verdammte Kacke!«, schrie sie. »Pisst das elende Vieh einfach an den PC! Den mach ich alle!«
    »Immer mit der Ruhe.«
    »Von wegen Ruhe! Auf dem Computer war mein Erdkundereferat für nächste Woche gespeichert! Jetzt muss ich alles noch mal machen! Und auch noch von Hand!«
    Ich spülte das Tuch aus und wusch mir die Hände. Ich hatte nicht gewusst, dass Katzenpisse so ekelhaft stinken kann. Und auch nicht, dass Tibby zu den Leuten gehört, die ihre Katzen treten. Dann setzte ich mich an den PC und versuchte, ihn wieder

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