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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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lächerlich, nichtmitzumachen, nur weil diese bescheuerte Danny auch im Ausschuss war. Kurz entschlossen trug ich Tibby und mich in die Liste ein. Ein bisschen Ablenkung würde ihr bestimmt guttun.

5
    Ich entschuldigte mich bei Frau Bonamour fürs Zuspätkommen und setzte mich rasch zu Tibby.
    In meiner nass geregneten Hose fror ich erbärmlich. Während ich mir die Hände warm rieb, bemühte ich mich, Frau Bonamours wütende Blicke zu ignorieren. Meine gute Laune war jedenfalls wie weggeblasen.
    Die ganze Französischstunde über grübelte ich, wie ich die Sache mit dem Abschreiben ansprechen könnte. Und stellte mir dabei vor, wie Tibby jeden meiner Versuche zunichtemachte.
    ›Tut mir leid, Tibs‹, würde ich sagen, ›aber ich will dich nicht mehr abschreiben lassen.‹
    Sie darauf: ›Okay, alles klar.‹ Und dann würde sie sich vorwurfsvoll schweigend wegdrehen.
    Oder: ›Na gut, wenn dir unsere Freundschaft nicht mal das wert ist.‹
    Oder: ›Ich weiß schon, ich bin ’ne Versagerin. Sorry, dass ich dich belästigt hab.‹
    Oder: ›Klar, lass nur. Ich hab die Fünf auch mehr als verdient.‹
    Ich kam mir vor, als müsste ich gegen einen Drachen ankämpfen, dem jedes Mal, wenn ich ihm einen Kopf abschlug, zwei neue nachwuchsen.
    In Mathe und Geschichte ging die Grübelei weiter. Unermüdlich schlug ich neue Drachenköpfe ab. ›Ich versteh schon. Wer will denn auch mit mir befreundet sein?‹ – ›Macht nichts. Dann werfen sie mich eben raus, dir kann’s ja egal sein.‹
    Meine Bauchschmerzen wurden immer schlimmer.
    In der Pause nach Geschichte standen wir auf dem Flur.
    Jetzt oder nie!, dachte ich und sagte: »Tibs, wir müssen reden.«
    Keine Reaktion.
    »Tibby …«
    Sie drehte sich zu mir um und strahlte mich ganz unerwartet an. »Ach Anna, ich bin so unsagbar froh, dass ich dich hab!«, sagte sie und legte mir den Arm um die Schultern. »Ohne dich wär ich aufgeschmissen.« Sie drückte mich kurz und lächelte, so voller Wärme. Von einem Moment auf den anderen war die Welt wieder in Ordnung.
    Ich schluckte alles, was ich mir an Argumenten zurechtgelegt hatte, hinunter. Das Bauchdrücken wurde davon zwar noch schlimmer, aber ich brachte es einfach nicht übers Herz, sie jetzt, wo sie endlich mal wieder gut gelaunt war, zu enttäuschen.
    Und dann war es so weit.
    Mit strenger Oberlehrermiene teilte der fiese Fred die Arbeitsblätter aus. Wir mussten die Tische auseinanderrücken.Tibby sollte hinter mir sitzen. »Wir wollen ja niemanden in Versuchung führen«, sagte er.
    Kann mir nur recht sein, dachte ich.
    Auf dem ersten Blatt stand ein lateinischer Text, dann folgte eine Reihe Multiple-Choice-Fragen.
    Ich hörte Tibby leise stöhnen. Und nach zehn Minuten kam das unvermeidliche Flüstern: »Anna, dreizehn?«
    Nicht reagieren, dachte ich. Eine echte Freundschaft muss auch mal ein Nein vertragen können.
    »Pssst. Dreizehn.«
    Wieder tat ich, als hätte ich nichts gehört, und versuchte, mich auf die Fragen zu konzentrieren.
    Ich mach’s nicht, dachte ich.
    Das Bauchdrücken war jetzt kaum noch auszuhalten.
    »He, Anna!«
    Ich mach’s nicht, ich mach’s nicht, ich muss das nicht!
    »Dreizehn, bitte.«
    Sie gab einfach nicht auf. Wenn ich ihr jetzt nicht half, war ich für sie gestorben.
    »Bitte-bitte!« Es klang verzweifelt. Tibby tat mir leid.
    Vielleicht reicht ihr diese eine Antwort und den Rest schafft sie allein?, dachte ich.
    Unauffällig hob ich die Hand und hielt drei Finger hoch.
    »Und vierzehn?«
    Nein! Jetzt ist Schluss! Ich mach das nicht mehr länger mit!
    »Vierzehn, bitte.« Sie flüsterte immer lauter!
    Ich hatte große Lust, mich umzudrehen und »Nein!« zu brüllen, aber das ging natürlich nicht. Also schüttelte ich nur leicht den Kopf.
    Fred fixierte mich kurz, schaute dann aber wieder weg. Keine Gefahr.
    »Anna, bitte!« Es klang so jämmerlich, dass es mir ins Herz schnitt. Ich spähte zu Fred, der gerade eine graue Haarsträhne über seine Halbglatze drapierte.
    Zwei Finger.
    Nun war es aber genug.
    Doch Tibby bettelte weiter. Ganz verrückt machte mich das. Ich gab auf. Mit einem Seufzer kritzelte ich die Antworten zu den Fragen fünfzehn bis zwanzig auf ein Taschentuch. Dann lehnte ich mich auf dem Stuhl zurück, tat, als würde ich mir die Haare zu einem Zopf zusammenbinden … und ließ das Taschentuch auf Tibbys Tisch fallen.
    Dort hätte es zumindest landen sollen.
    Aber es fiel auf den Boden.
    Tibby rutschte sofort vom Stuhl und verschwand unter ihrem

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