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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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Schummeltaschentuch und putzte sich damit geräuschvoll die Nase. Dann schmiss sie es Fred wieder hin. »Da liegt der Beweis! Macht doch, was ihr wollt! Werft mich meinetwegen raus, ist mir egal!«
    Tibby starrte Fred an, erst provozierend, dann unsicher.
    »Wenn dir das Lernen so viel Mühe macht, müssen wir darüber reden. Bestimmt finden wir eine Möglichkeit, dir zu helfen.«
    »Das kenn ich! Ihr wollt mir doch bloß den Kopf volllabern und mich dann loswerden!« Aus Tibbys Nasenlöchern quoll Rauch und ihre Augen schossen feurige Blitze ab.
    Fred ließ sich zu meinem Erstaunen nicht aus der Ruhe bringen. Er blätterte in seinem Terminkalender. »Morgen in der großen Pause würde es passen. Kommst du dann bitte zu mir ins Lehrerzimmer, damit wir das Ganze in Ruhe besprechen, Tibby? Heute allerdings seid ihr zu weit gegangen und das lasse ich nicht auf sich beruhen. Weil du geschummelt hast, schreibst du die Arbeit noch einmal, und zwar ganz allein. Und stell dich schon mal darauf ein, dass du am Freitag Hofdienst hast. Das gilt auch für dich, Anna. Mit dir hab ich ohnehin noch ein Hühnchen zu rupfen.« Er sah mich durchdringend an. »Es stört mich massiv, dass du in meinen Stunden ständig rummalst.«
    Ich sagte nichts und wartete ab.
    »Hieroglyphen sind zweifellos interessant«, fuhr Fred fort, »aber bei mir sollst du Latein lernen. Kein Englisch, kein Französisch und auch kein Ägyptisch. Haben wir uns verstanden?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Dann bring uns wenigstens was bei«, murmelte ich.
    »Wie bitte?«
    Ups! Er hatte es mitbekommen!
    Fred warf mir einen langen Blick zu. »Das hat ein Nachspiel, Anna.«
    »Ja, Herr de Wit«, wollte ich sagen, brachte aber nur ein heiseres Krächzen zustande.
    Oje, das klang ganz nach einem weiteren Besuch bei JP. Mir brach der kalte Schweiß aus.
    Fred schmiss das Taschentuch in den Papierkorb und verließ erhobenen Hauptes das Klassenzimmer.
    »Na, da sind wir noch gut weggekommen«, meinte Tibby. »Erst dachte ich, der flippt total aus. Den Hofdienst nehm ich gern in Kauf.«
    »Gut weggekommen? Hast du nicht gehört, was er zu mir gesagt hat!? ›Das hat ein Nachspiel!‹«
    »Ach was …« Tibby machte eine wegwerfende Handbewegung.
    War ihr das denn egal?
    »Fred rennt jetzt schnurstracks zu JP«, sagte ich. »Und dann kriege ich einen Riesenärger. Eins steht jedenfalls fest: So was mach ich nie wieder.«
    »Was machst du nie wieder?«
    »Dich abschreiben lassen«, gab ich wütend zurück. »Ab jetzt siehst du zu, wie du bei den Arbeiten allein klarkommst. Ich hab dir angeboten, dir beim Lernen zu helfen, wenn du das nicht willst, lassen wir’s. Dann bleibst du eben sitzen und wiederholst das Jahr.«
    »Aber wenn du mir nicht mehr hilfst …« Fassungslos blickte Tibby mich an. Mit ihren kohlrabenschwarzen Augen, die auf bestimmt hundert verschiedene Arten gucken konnten. Wenn sie mich so flehentlich ansah wie jetzt, blieben mir einfach die Worte weg und formten sich im Hals zu einem Klumpen, der langsam tiefer rutschte und zu drücken begann.
    Erneut zog sich mein Bauch zusammen.
    »Mann, Tibby! Ich krieg sonst Probleme. Ist dir das denn völlig egal?«
    Sie schnaubte. »Probleme!? Du schreibst lauter Einsen und ich lauter Fünfen. Wer hat hier wohl Probleme?«
    »Wenn wir noch ein Mal erwischt werden, werfen die mich womöglich von der Schule. Kapier das doch endlich!«
    Ich hatte vor Aufregung geschrien.
    Tibby sah mich unverwandt an, ihr Blick war plötzlich eiskalt.
    »Du hast recht«, sagte sie. »War mein Fehler. Ich hatte ganz vergessen, wie brav und apothekermäßig du bist. Jedenfalls werd ich dir ab jetzt nicht mehr zur Last fallen.« Sie drehte sich um und ging weg.
    Der Drache war besiegt, aber ich fühlte mich, als läge ich selbst blutend auf dem Schlachtfeld.

Das blaue Buch liegt aufgeschlagen vor mir, schweigend, die Blätter leblos, wie Schuppen von einem toten Drachen
.
    Ich greife nach meinem Stift, um sie mit Worten zum Leben zu erwecken, aber noch ehe ich etwas schreiben kann, fangen die leeren weißen Seiten an zu rascheln und zu raunen. Sie flüstern mir Dinge zu, die ich lieber nicht hören will
.
    »Warum hast du es Tibby noch schwerer gemacht?«, wispert das Buch. »Du hattest die Nase voll, stimmt’s? Und deshalb hast du Tibby im Stich gelassen.«
    Ein brennendes Schuldgefühl steigt in mir auf, vom Bauch zum Herzen, das sich zusammenkrampft
.
    Ich habe mir doch solche Mühe mit ihr gegeben und dann war am Ende alles

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