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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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weiß ich, daß du nicht wirr im Kopf bist.«
     
    »Aber ... ein lebender Toter? Kann man so etwas denn einfach hinnehmen?«
     
    »Es ist ebenso schwierig, diese Sache hinzunehmen, wie es schwer ist, die andere Theorie zu akzeptieren – daß es zwei Wahnsinnige gibt, die überhaupt nicht miteinander in Verbindung stehen, die beide an derselben Art von Wahnvorstellung leiden, beide mit krankhafter Furcht vor Vampiren; und zu glauben, daß beide in ein und derselben Woche einen Überfall auf dich verüben. Da fällt mir tatsächlich die Vorstellung leichter, zu glauben, Frye sei irgendwie am Leben.« »Vielleicht habe ich dich angesteckt?« »Womit angesteckt?« »Mit meinem Wahnsinn.«
    Er lächelte. »Wahnsinn ist etwas ganz anderes als eine Erkältung. Man steckt sich beispielsweise nicht einfach durch einen Kuß an.«
    »Hast du noch nie etwas von ›Massenpsychosen‹ gehört?« Er mußte an einer Verkehrsampel bremsen und meinte: »Gemeinschaftspsychosen? Ist das ein Wohlfahrtsprogramm für unterprivilegierte Verrückte, die sich keine eigenen Psychosen leisten können?«
    »In einer solchen Situation kannst du Witze reißen?« »Gerade in einer solchen Situation.« »Und was ist mit Massenhysterie?« »Gehört auch nicht zu meinen Hobbys.« »Ich meine, vielleicht leiden wir an einer Art Hysterie.« »Nein. Unmöglich«, sagte er. »Zu zweit lassen wir uns niemals als Masse definieren.«
    Sie lächelte. »Herrgott, bin ich froh, daß du da bist. Ich möchte jetzt nicht allein sein.« »Du wirst nie wieder allein sein.« Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. Um 11.15 Uhr erreichten sie das Leichenschauhaus.
    Im Büro des Coroners erfuhren Hilary und Tony von der Sekretärin, daß der leitende Leichenbeschauer die Autopsie an Bruno Fryes Leiche nicht selbst durchgeführt hatte. Vergangenen Donnerstag und Freitag sei er in San Franzisko gewesen, um dort einen Vortrag zu halten; die Autopsie habe einer seiner Mitarbeiter vorgenommen.
    Diese Information veranlaßte Hilary zu der Hoffnung, es könne eine einfache Erklärung für die geheimnisvolle Wiederkehr Fryes aus dem Grab geben. Vielleicht hatte sich der mit der Autopsie beauftragte Assistenzarzt in Verletzung seiner Amtspflicht dazu hinreißen lassen, einen falschen Bericht abzuliefern.
    Diese Hoffnung erlosch freilich sofort, als sie Ira Goldfield, den betreffenden Arzt, kennenlernte, einen gutaussehenden Mann Anfang dreißig mit durchdringenden blauen Augen und einem dichten blonden Lockenschopf. Er war freundlich, energisch, intelligent und offensichtlich viel zu sehr an seiner Arbeit interessiert, um irgendeine ihm übertragene Aufgabe nicht sorgfältig zu erledigen.
    Goldfield führte sie in ein kleines Besprechungszimmer, das nach Fichtennadelspray und Zigarettenqualm roch. Sie setzten sich an einen rechteckigen Tisch, der mit einem halben Dutzend medizinischer Nachschlagewerke, Laborberichten und Computerausdrucken übersät war. »Natürlich«, meinte Goldfield, »ich erinnere mich genau an den Fall. Bruno Graham ... nein, Günther. Bruno Günther Frye. Zwei Stichwunden, die eine oberflächlicher Natur, die andere tief und tödlich. Ich habe selten so gut entwickelte Bauchmuskeln gesehen.« Er schaute Hilary an und fuhr fort: »Oh, ja ... und Sie sind die Frau, die ... ihn erstochen hat.«
    »Notwehr«, ergänzte Tony.
    »Daran zweifle ich keinen Augenblick«, versicherte ihm Goldfield. »Ich könnte mir unmöglich vorstellen, daß Miss Thomas einen solchen Mann erfolgreich hätte angreifen können. Dieser Hüne könnte sie einfach wegwischen, als wäre sie ein kleines Kind.« Wieder blickte Goldfield Hilary an. »Nach dem polizeilichen Bericht und den Darstellungen in den Zeitungen hat Frye Sie angegriffen, ohne zu wissen, daß Sie ein Messer besaßen.«
    »Das stimmt. Er glaubte, ich sei unbewaffnet.« Goldfield nickte. »So muß es auch gewesen sein. In Anbetracht der unterschiedlichen Körpergröße blieb Ihnen diese einzige Möglichkeit, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, ohne selbst ernsthafte Verletzungen davonzutragen. Ich meine, dieser Mann besaß wirklich erstaunliche Muskeln. Vor zehn oder fünfzehn Jahren hätte so jemand als Bodybuilder einen Preis gewonnen. Sie können wirklich von Glück reden, Miss Thomas. Wenn Sie ihn nicht überrascht hätten, hätte er Sie in Stücke gerissen. Ich meine das wörtlich buchstäblich, mit Leichtigkeit.« Er schüttelte den Kopf und schien sichtlich beeindruckt bei dem Gedanken an Fryes Körperbau.

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