Flüstern in der Nacht
dem Schlosser ihr Haus verlassen. Der Teufel soll sie holen!
Nachdem die Detektive Clemenza und Howard gegangen waren, hatte Hilary mit dem Polizisten Farmer ein Gespräch über Waffengesetze geführt, über das sie sich jetzt noch ärgerte.
»Miss Thomas, wegen dieser Pistole . . .«
»Was ist damit?«
»Sie brauchen einen Waffenschein, um eine Handfeuer-waffe im Haus aufzubewahren.«
»Das weiß ich. Ich habe einen Waffenschein.«
»Könnte ich ihn bitte sehen?«
»Er liegt in der Nachttischschublade. Ich bewahre ihn bei der Waffe auf.«
»Darf mein Kollege hinaufgehen und ihn holen?«
»Meinetwegen.«
Ein oder zwei Minuten später: »Miss Thomas, wie ich sehe, haben Sie früher in San Franzisko gelebt.«
»Ja. Etwa acht Monate. Ich habe am dortigen Theater gearbeitet und mich als Schauspielerin versucht.« »Der Waffenschein trägt eine Adresse in San Franzisko.« »Ich hatte mir dort in North Beach eine Wohnung gemietet, weil sie billig war, denn damals hatte ich noch nicht viel Geld. In der Umgebung braucht man als alleinstehende Frau ganz sicher eine Waffe.«
»Miss Thomas, ist Ihnen die Vorschrift nicht bekannt, daß Waffen bei jedem Umzug neu angemeldet werden müssen?« »Nein.«
»Das wissen Sie wirklich nicht?«
»Hören Sie, ich schreibe Filmdrehbücher; von Waffen versteh' ich nichts.«
»Wenn Sie eine Schußwaffe im Haus haben, dann müssen Sie auch die Vorschriften bezüglich der Anmeldepflicht kennen.« »Okay, okay. Ich melde sie so schnell wie möglich an.« »Nun, sehen Sie, Sie müssen Sie registrieren lassen, wenn Sie sie zurückhaben wollen.« »Zurückhaben?«
»Ich muß die Waffe mitnehmen.« »Soll das ein Witz sein?« »Das ist Vorschrift, Miss Thomas.«
»Sie wollen mich also allein und unbewaffnet zurücklassen?« »Ich glaube nicht, daß Sie sich Sorgen machen müssen –« »Wer hat Sie darauf gebracht?« »Ich tue nur meine Pflicht.« »Howard hat Sie darauf gebracht, nicht wahr?« »Detektiv Howard hat angeregt, daß ich mir den Waffenschein ansehe, aber er hat nicht –« »Herrgott!«
»Sie brauchen doch nur aufs Revier zu kommen, die vorschriftsmäßige Gebühr zu bezahlen und eine neue Registrierkarte auszufüllen – dann erhalten Sie Ihre Pistole ja zurück.« »Und wenn Frye heute nacht noch einmal kommt?« »Das ist höchst unwahrscheinlich, Miss Thomas.« »Was aber, falls doch?«
»Dann rufen Sie uns an. Ein Streifenwagen steht immer hier in der Gegend. Dann kommen wir –«
»Rechtzeitig, um einen Pfarrer und einen Leichenwagen zu bestellen.«
»Sie brauchen vor nichts Angst zu haben, außer –« »– vor der Angst selbst? Sagen Sie, Officer Farmer, muß man eigentlich einen Lehrgang für Phrasendrescherei machen, ehe man Polizist wird?«
»Ich tue nur meine Pflicht, Miss Thomas.« »Oh ... aber was soll's.«
Farmer hatte die Pistole an sich genommen, und Hilary war um eine Erfahrung reicher. Auf die Polizei konnte man sich ebensowenig verlassen wie auf die anderen staatlichen Behörden. Wenn der Staat nicht imstande war, ausgeglichen zu wirtschaften und dafür zu sorgen, daß das Geld seinen Wert behielt, oder nicht fähig war, mit der beständigen Korruption innerhalb der eigenen Behörden fertigzuwerden, ja sogar weder Willen noch Mittel aufbrachte, um eine Armee zu unterhalten, die für die innere Sicherheit Sorge trug, dann konnte man auch kaum erwarten, daß ein Verrückter davon abzuhalten war, sie umzubringen.
Vor langer Zeit machte sie die Erfahrung, daß es gar nicht leicht war, jemanden zu finden, dem man wirklich voll vertrauen konnte. Mit ihren Eltern oder ihren Verwandten wollte sie diesbezüglich nichts zu schaffen haben; auch nicht mit den in Papieren wühlenden Sozialarbeitern, die sie als Kind um Hilfe gebeten hatte, und vor allem nicht mit der Polizei. Tatsächlich erkannte sie in diesem Augenblick, daß der einzige Mensch, dem man vertrauen und auf den man sich verlassen konnte, man selbst war.
Also schön, dachte sie zornig. Okay. Ich werde mich selbst um Bruno Frye kümmern. Aber wie? Irgendwie.
Sie ging mit dem Messer in der Hand aus der Küche hinaus in die kleine verspiegelte Barnische zwischen Wohnzimmer und Arbeitszimmer und schenkte sich einen doppelten Remy Martin in den großen Cognacschwenker. Sie trug das Messer und den Cognac nach oben ins Gästezimmer und schaltete dann trotzig die Treppenbeleuchtung und die Lichter im Gang aus.
Sie schloß die Zimmertür, verriegelte sie sorgfältig und schaute sich nach
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