Fluesterndes Gold
gesehen. »Glaubst du, dass du Sidhé-Blut in dir hast?«
»Ich? Nein.« Ich schaue alle an. »Ihr glaubt das doch nicht etwa?«
Nick und Issie legen mir die Hand auf den Arm. Issie muss sich dazu über den Tisch beugen.
»Ich verstehe, dass das für dich ein bisschen komisch ist«, sagt sie ganz ruhig.
»Ein bisschen komisch?« Ich ziehe meinen Arm weg. »Es ist super komisch.«
»Könnt ihr endlich still sein!«, ruft der Mann, der den Economist liest.
»Entschuldigung. Entschuldigung.« Ich versuche ganz langsam zu atmen.
»Vielleicht will er, dass du seine Königin bist«, meint Devyn. »Um die Geschlechterfolge fortzusetzen.«
»Das ist Blödsinn«, sagt Nick.
»Ja«, funkle ich ihn böse an. »Warum sollte jemand ausgerechnet mich zur Königin wollen?«
»So hab ich das nicht gemeint.« Die beiden vorderen Beine von Nicks Stuhl knallen auf den Boden.
Ich kann ihn nicht einmal ansehen. »Genau.«
»Ich kapier nur nicht, was das mit den vermissten Jungs zu tun hat«, fügt er flüsternd hinzu, und seine Stimme klingt tief und ernst. »Was meinst du, Devyn?«
Devyn reibt sich die Nase und streckt seine Arme aus, als habe er Gewichte gestemmt und seine Muskeln seien müde. »Auf der Website heißt es, wenn der König die Königin nicht bekomme, brauche er blutige Tribute von Jungen.«
Issie schaudert. »Gruselig.«
»Aber was bedeutet das, blutige Tribute?« Ich zieh ein Buch aus Nicks Stapel und schlage im Register nach. »Ja, da ist was. Seite 123.«
Ich blättere zu der Seite, überfliege die Zeilen und ziehe hörbar den Atem ein.
»Was steht da?«, fragt Devyn.
Als ich aufblicke, sehe ich, dass er Nick anstarrt, als versuche er bei ihm irgendwie Kraft zu schöpfen. Sein Gesicht wird immer blasser.
Nick nickt mir zu. »Lies vor, Zara.«
»Wenn der Elfenkönig sich nicht mit einer Königin vereinigen kann, muss er blutige Tribute von jungen Männern nehmen.« Meine Stimme fängt an zu zittern, aber Nick legt mir seine Hand auf die Schulter und beruhigt mich. »Der gesamte Hof hilft ihm, auf die Jungen Jagd zu machen. Sie verschwinden mit ihnen zum Zuhause des Königs, wo den Jungen langsam das Blut aus den Adern gesaugt wird.«
Ich höre auf zu lesen. Devyns Gesicht ist blass, die gute, dunkle Farbe ist fast vollkommen aus seinem Gesicht gewichen.
Issies Augen sind noch größer also sonst. »Das ist krank.«
Sie lehnt sich zurück und neigt sich zu Devyn hin, der immer noch aussieht, als würde er gleich ohnmächtig werden oder anfangen zu kotzen.
Nick drückt meine Schulter. »Noch was?«
Ich blättere um. Eigentlich will ich nicht weiterlesen, nicht, wenn es Devyn so aufregt.
»Geht klar«, sagt Devyn.
Ich räuspere mich und flüstere. »Schließlich sterben die Jungen, denn ihre Körper sind überwältigt von den Grausamkeiten, die ihnen die Elfen angetan haben. Die Elfen, das mag der Erzähler hinzufügen, hegen nicht den Wunsch, gegen diese überwältigende Begierde anzukämpfen. Der Elfenkönig kann nur eine bestimmte Zeit ohne eine Königin auskommen, dann gibt er der dunklen, grausamen Seite seines Wesens nach, und wenn er schwach wird, dann geht es auch den anderen Elfen schlechter. Sie streifen auf der Jagd nach möglichen Königinnen und Blutopfern durch die Wälder.«
»Seht mal.« Nick zeigt mit dem Finger darauf. »Da, am Rand.«
»Was steht da?«, fragt Issie.
Ich schaue mit zusammengekniffenen Augen auf die ausgebleichten Bleistiftzeichen. »Wälder nicht betreten.«
»Gute Idee«, sagt Nick. Seine Hand verlässt meine Schulter. Ich komme mir verlassen vor, und mir wird irgendwie kälter. Ich schlage die letzte Seite des Buchs auf, wo die Rückgabestempel stehen. Niemand hat das Buch ausgeliehen, seit ein neues Blatt auf die letzte Seite geklebt worden ist. Aber darunter steht etwas.
Ich puhle die Ränder ab, während Issie meint: »Ich kenn mich mit diesen Elfensachen nicht so aus. Aber ihr meint schon, dass das stimmt, oder? Mit den Blutopfern?«
»Ja, ich weiß, dass es stimmt«, sagt Devyn. »Aber was hat es zu bedeuten, dass er dauernd auf Zara zeigt?«
»Das ist doch klar«, fügt Nick hinzu. »Er möchte, dass sie seine Königin wird.«
Ich schlucke, aber ich schaue Issie nicht an, während ich rede. Stattdessen blicke ich Nick direkt in die Augen. »Warum nicht? Da steht nirgends, dass Elfenköniginnen böse sind.«
»Da steht aber auch nicht, dass sie gut sind!« Devyn schreit fast.
Der Zeitschriftentyp wirft seinen Economist auf den Tisch und stapft
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