Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluesterndes Gold

Fluesterndes Gold

Titel: Fluesterndes Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
Vom Netzwerk:
Hand umklammert den Schürhaken.
    »Feigling«, murmle ich.
    Ich marschiere hinüber zu Nicks Mini und lege meine verletzte Hand an den Türgriff. Dann ziehe ich die Autotür auf. Innen riecht es intensiv nach ihm. Ich berühre das Lenkrad mit den Fingern. Wieder zittert etwas in mir, aber nicht auf eine gute Art und Weise. Ich will nicht, dass er in Gefahr ist. Ich ziehe meine Hand vom Lenkrad weg. Ein stechender Schmerz durchfährt sie. Die Linien entsprechen tatsächlich der Rune für Schutz. Wie gruselig. Ich drehe mich einmal im Kreis, damit ich alles um mich herum inspizieren kann. Ein Prickeln kriecht durch meine Hand und meinen Arm hinauf auf mein Herz zu.
    »Nick?«, flüstere ich.
    Ich streiche mir die Haare aus dem Gesicht. Der Wind bläst sie wieder zurück. Da reiße ich ein Gummiband von meinem Handgelenk und binde mir die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Die Sonne ist schon fast hinter den Bäumen verschwunden. Sie glüht noch orangefarben, ein letztes Aufbäumen gegen die Nacht.
    »Nick?«, sage ich lauter.
    Keine Antwort.
    Ich versuche es noch lauter.
    »Nick? Bist du da draußen?«
    Und da höre ich es, das wütende Geheul eines Hundes. Ich erstarre.
    Und dann höre ich etwas noch Schlimmeres. Vom Waldrand kommt ein heiseres Flüstern. Es ist nicht Nicks Stimme, aber ich erkenne sie. Ich habe sie gestern Abend gehört, als ich laufen war.
    »Zara«, sagt sie. »Komm zu mir.«
    Phonophobie
    Die Angst vor Geräuschen oder Stimmen
    Ich mache einen Schritt auf die Stimme zu, nur einen: »Nick?«
    »Zara …«
    Ich bleibe stehen und sehe mich um. Mit der untergehenden Sonne werden die Wolken immer dunkler und verwandeln sich in etwas Düsteres, das voller Gefahren zu sein scheint. Die Bäume schwanken im Wind. Ich schlinge die Arme um den Körper, um das krabbelige Gefühl zu vertreiben.
    »Zara …«
    »Bist du das, Nick?«
    Keine Antwort.
    »Wer bist du?«, schreie ich.
    »Komm zu mir.«
    »Sag mir, wer du bist!«
    »Zara …«
    Ich stampfe mit dem Fuß auf. »Das ist doch doof. Sag mir, wer du bist, und ich komme, okay? Aber wenn du Nick etwas angetan hast oder wenn du vielleicht sogar Nick bist, der verrückt geworden ist, kannst du was erleben.«
    Meine Worte schweben in der kalten Luft wie eine Drohung. Im Innern wird mir warm, als ob ein Feuer in mir lodert. Das ist die Wut.
    »Zara …«
    »Hör jetzt auf, meinen Namen zu rufen!«, schreie ich. Inzwischen bin ich richtig wütend. »Das ist lächerlich!«
    Dann stürme ich ohne nachzudenken in den Wald, angetrieben von meiner Wut und bereit zuzuschlagen, obwohl ich noch nie jemanden geschlagen habe. Wie sagt Friedrich Nietzsche? »Jene, die Monster bekämpfen, müssen sich vorsehen, nicht selbst zu Monstern zu werden.«
    Ich renne vielleicht zwanzig Meter zwischen den Bäumen hindurch und bleibe dann so abrupt stehen, dass meine Füße auf dem harten Boden noch ein Stück weiterschlittern. Ich mache genau das, was alle mir verboten haben, genau das, was ich Nick versprochen hatte, nicht zu tun. Ich könnte schreien.
    Ich bin so wütend auf mich, wütend auf die Stimme, wütend auf Nick. Meine Hand umfasst den Schürhaken fester.
    Hinter mir flüstert die Stimme: »Du bist fast am Ziel, Zara. Bleib jetzt nicht stehen.«
    Ich wirble herum, aber kann niemanden zwischen den Baumstämmen entdecken.

»Wo bist du?«, will ich wissen.
    Keine Antwort.
    »Wer bist du?«
    »Du weißt es.« Diesmal kommt die Stimme von rechts. Ich drehe mich. Sie klingt nicht wie Nicks Stimme. Sie ist älter und glatter.
    »Woher kennst du meinen Namen?«, frage ich und lausche angestrengt.
    »Ich habe deinen Namen schon immer gekannt, Prinzessin.«
    Zara bedeutet Prinzessin. Gut. Ist mir egal, was mein Name bedeutet. Ich stürze in die Richtung, wo ich die Stimme vermute, jage über Steine und Kiefernzapfen und Wurzeln.
    »Wo bist du?«
    Nichts unterbricht die endlose Reihe von Baumstämmen, kein Fetzen Stoff, keine Augen, keine Haare. Bäume soweit ich sehen kann. Bäume. Bäume. Bäume. Ich drehe mich um und halte Ausschau nach dem Haus. Eigentlich sollte es zu meiner Rechten liegen, aber da ist es nicht. Nur Bäume. Verdammt dunkel ist es in dem Wald.
    Angst krallt sich in meinen Magen, aber diesmal ist es nicht nur Angst um Nick. Es ist auch Angst um mich. Ich habe mich doch nicht verirrt? Nicht so schnell.
    »Wo bist du?«
    »Hier entlang.« Die Stimme kommt von links. Ich stürze mich auf sie und stürme zwischen den Bäumen hindurch immer weiter in die

Weitere Kostenlose Bücher