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Fluesterndes Gold

Fluesterndes Gold

Titel: Fluesterndes Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
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schlimmer als ich.«
    »Nö, überhaupt nicht.«
    Wir packen zusammen und machen uns auf den Weg nach draußen. Zuerst befreien wir den Mini von all dem Schnee. Die Bäume machen mir Angst. Eigentlich nicht die Bäume, sondern das, was sich hinter ihnen verstecken könnte.
    Der Schnee bedeckt alles. Er bedeckt die Zweige und die Autos, das Land und das Wasser. Er bedeckt das Haus. Die Welt ist unter ihm verschwunden. Die Menschen darunter und die Tiere und das Gras sind ebenfalls verschwunden. Alles ist einfach weiß. Blendend weiß. Alles ist weg. Die klaren Konturen der Dächer und der Äste, die geraden Linien der Straßen, alles ist verwischt, bedeckt, verschwunden.
    »Meinem Dad hätte das gefallen. Er hätte ein Paar Skier hervorgezogen und gesagt: ›Wie wär’s mit einem Abenteuer?‹«, sage ich.
    »Klingt cool.«
    »Er war cool.«
    »Muss ein Werwesen gewesen sein.«
    »Ja, vermutlich«, sage ich und lasse diesen zusätzlichen Informationssplitter, der endlich laut ausgesprochen wurde, noch ein bisschen in der Luft schweben. »In seiner Notiz hat er ›Lichtgestalt‹ geschrieben.«
    Nick holt einen Handfeger aus dem Mini und wischt den letzten feinen Schneeschleier weg, aber darunter kommt eine Eisschicht zum Vorschein, die alle Fenster bedeckt. Er setzt sich ins Auto und stellt das Gebläse auf die höchste Stufe.
    Ich lehne mich gegen den Kühler und schaue zu, wie die Scheiben langsam auftauen. Dann lasse ich meine Gedanken schweifen und versuche, all die Erlebnisse irgendwie zu verarbeiten.
    »Zara?«
    Nick steht neben der offenen Fahrertür. Der Schnee färbt seine Haare weiß und bleibt an seinen Augenbrauen hängen. Ein liebevoller Ausdruck liegt in seinem Blick.
    »Kommst du?«
    »Ja.«
    Bettys Haus ist nur ein paar Meter weit weg. Ich könnte reinrennen, die Tür zuschlagen, sie verschließen und mich verstecken.
    Ich könnte mich hinkauern.
    Ich könnte aufhören, mich zu bewegen.
    Stattdessen setze ich mich ins Auto.
    »Gut«, sage ich und knalle die Tür zu. »Fahren wir.«
    Im Mini ist es schon warm, weil der Motor die ganze Zeit gelaufen ist. Ich seufze behaglich und lächle. Hier könnte ich ewig sitzen, es ist gemütlich, sicher und warm, so wie Nick. Ich fasse nach unten und berühre das Fell, das ich neulich im Fußraum entdeckt habe. Es gehört Nick. Ich werfe einen Blick zu ihm hinüber, um sicherzustellen, dass er nicht schaut, und stecke es heimlich in die Tasche. Was immer geschieht – es wird mich an ihn erinnern.
    Aber was soll schon geschehen. Oder?
    Nick nimmt meine Hand, und es ist, als würde er meine Gedanken lesen. Können Werwölfe das?
    »Alles wird gut, Zara.«
    »Ich weiß«, schnüffle ich. Meine Nase ist ganz verstopft. »Mir geht’s gut.«
    Er drückt meine Hand und lässt sie dann los, was total unfair ist. Ich mag es, wenn seine Hand auf meiner liegt.
    »Bei diesem Wetter brauche ich beide Hände zum Fahren«, erklärt er.
    Seine Finger sind kräftig und lang und unbehaart.
    »Nicht zu fassen, dass aus ihnen Pfoten werden.«

»Irre, was?«
    Ich mustere ihn. Seine Schultern weiten sich unter seiner Jacke und seine langen, kräftigen Beine kommen mir riesig vor. Ich ziehe den Gurt heraus und lasse ihn einrasten.
    »Wir müssen los. Eure Zufahrt ist nicht geräumt.«
    »Hm.«
    »Sonst bleiben wir womöglich stecken.«
    Er drückt das Gaspedal. Das Auto macht einen Satz nach hinten und bleibt dann abrupt stehen, gefangen im Schnee.
    Nick versucht durch Schaukeln freizukommen, ein Stückchen nach vorn, ein Stückchen zurück. Vor lauter Anspannung nehmen seine Züge einen finsteren, maskenhaften Ausdruck an.
    »Sieht nicht gut aus, oder?«, frage ich.
    »Überhaupt nicht.« Er stellt den Motor ab.
    »Soll ich schieben?«
    »Das geht nicht. Die Zufahrt ist zu lang.« Er macht die Tür auf und springt hinaus. »Wir müssen schippen.«
    »Schippen?«
    Ich hab noch nie im Leben Schnee geschippt. Im Fernsehen habe ich Leute gesehen, die Schnee schippen, und mein Dad hat mir erzählt, wie er während der gewaltigen Schneestürme, die in New England manchmal wüten, stundenlang Schnee geschippt hat, um das Haus verlassen zu können.
    Ich springe ebenfalls aus dem Auto und sinke tief im Schnee ein. Meine Hosen sind schon nass, und jetzt fallen mir auch noch Schneeklumpen in die Stiefel und machen es sich dort gemütlich.
    Schnee ist ätzend.
    »Sollen wir die ganze Zufahrt schippen?«, frage ich, die Hände in die Seiten gestemmt. »Nur du und ich? Die Zufahrt ist lang. Genau

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