Fluesterndes Gold
und heult. Es ist ein langes, durchdringendes Heulen voller Kummer und Zorn.
Es bricht mir das Herz, wie er dort gefangen ist. Ich muss ihm helfen zu entkommen. Ich muss freikommen.
Ich trete wieder um mich. »Geht weg!«
Schmerz fährt durch meinen Kopf. In meinem Kopf explodiert ein Feuerwerk. Die weiße Welt wird dunkel, und ich weiß, was gleich passieren wird. Ich werde diejenige sein, die geht. Ich werde diejenige sein, die weg ist.
Nyktohylophobie
Die Angst vor dunklen und nächtlichen Wäldern
Ich wache in einem großen, kalten Raum auf, der bis auf eine Luftmatratze auf dem Fußboden leer ist. In meinem Kopf pocht es, und meine zitternden Finger ertasten eine große Beule seitlich an meinem Kopf. Bin ich gegen einen Stein gestoßen? Oder hat mich jemand geschlagen? Und Nick? Wo ist Nick?
Ich setze mich auf und stütze meine Hände auf der kalten, blauen Luftmatratze ab. Die Welt dreht sich, und ich schließe eine Sekunde lang die Augen, besinne mich aber dann eines Besseren. In die Betonwände sind große Metallbolzen eingelassen, an denen früher irgendetwas festgemacht wurde. Es gibt eine große Holztür, aber sie ist geschlossen.
Panik erfasst mich und lässt mich nicht mehr los.
Mühsam stehe ich auf. Meine Füße berühren den kalten Zementfußboden.
Meine Güte. Jemand hat mir die Schuhe weggenommen.
Und meine Jacke.
»Nick?«, flüstere ich. Irgendwie hoffe ich das Unmögliche.
Aber er ist nicht da.
Die Erinnerung an ihn, wie er heulend in dem Netz gefangen ist, fährt mir in den Magen und erfüllt mich mit Schmerz.
»Hoffentlich habt ihr Nick nichts angetan!«, schreie ich die … oh, ich weiß gar nicht, wen ich da anschreie.
Ich durchquere mit großen Schritten den Raum. An der Tür angelangt versuche ich es noch einmal: »He! Hoffentlich habt ihr meinem Freund nichts getan!«
Ich greife nach dem hölzernen Türgriff und reiße daran. Erfolglos. Ich versuche es mit Drücken. Aber die Tür bewegt sich nicht. Verdammt, warum bin ich nicht stärker? Wahrscheinlich ist die Tür von der anderen Seite verbarrikadiert oder verschlossen oder so. Ich gehe ein paar Schritte zurück und renne mit der Schulter dagegen. Das ist nicht nur überhaupt nicht hilfreich, sondern tut auch höllisch weh. Wenn Polizisten das im Film machen, sieht das nie so aus, als würde es wehtun.
»Hallo?«
Keine Antwort.
»Ihr habt euch verdammt viel Mühe gemacht, nur um mich hier einzusperren«, sage ich und rüttle noch einmal an der Tür. Immer noch nichts.
»Das ist blöd«, verkünde ich. »Richtig blöd.«
Ich atme tief durch und versuche an etwas zu denken, das mich beruhigt, das mich dazu bringt, mich zu konzentrieren. Das Aufzählen von Phobien ist in dieser Situation keine gute Idee. Aber da gibt es ein Zitat, das sie manchmal bei Amnesty bemühen: »Das Geheimnis des Glücks ist Freiheit; das Geheimnis der Freiheit ist Mut.«
Thukydides, ein griechischer Geschichtsschreiber, hat das vor hundert Millionen Jahren geschrieben.
Was ich also brauche, ist Mut.
Auf dem Weg zurück zu meiner Luftmatratze inspiziere ich den Raum. Es gibt nicht viel zu sehen. Er ist ungefähr drei auf drei Meter groß und komplett aus Beton. Kein Fenster. Von der Decke baumelt eine kahle Glühbirne, aber es gibt keinen Lichtschalter. Im Boden ist ein Heizschacht eingelassen, wie man ihn in alten Häusern manchmal findet.
Ich krabble hin und spähe durch das Gitter. Wärme kommt nicht hindurch, aber ein bisschen Licht. Und der Klang ferner Stimmen trifft meine Ohren.
Die Öffnung ist etwa einen Meter lang und gut sechzig Zentimeter breit. Würde ich hindurchpassen? Vielleicht? Hoffnung gibt mir Auftrieb. Ich kann entkommen und Nick finden, ihn vielleicht sogar retten.
Das Gitter ist mit vier Schrauben befestigt. Ich stecke einen Fingernagel in einen Schraubenschlitz und drehe. Die Schraube bewegt sich, ein bisschen wenigstens.
Es wird zwar ewig dauern, aber es ist der Mühe wert. Ich atme tief durch und überlege, ob Amnesty auch für mich einen Aktionsaufruf rausschicken würde, wenn man dort Bescheid wüsste: Teenager in Maine ungerechterweise gefangen gehalten von …
Was würden sie schreiben?
Ich drehe die Schraube noch ein bisschen, bis ich den Schraubenkopf mit den Fingern greifen kann. Ich drehe und drehe, und sie ist draußen. Bleiben noch drei.
Kichernd und wahrscheinlich ein kleines bisschen hysterisch mache ich mich an die zweite Schraube und gehe nach derselben Methode vor. Ich habe sie halb
Weitere Kostenlose Bücher