Fluesterndes Gold
glüht. Ich drücke sie gegen sein Gesicht. Er schreit auf, aber er lässt nicht los.
Von irgendwoher ertönt ein Knurren. Bin ich das? Ian kommt näher. Ich starre auf seine blutbedeckten Lippen. Sie sind voll und kalt. Ich weiß, dass sie kalt sind.
»Nein«, sage ich. Ich schluchze vor Schmerzen, versuche aber dennoch irgendwie freizukommen.
Wir fallen. Der Boden kracht gegen uns. Ians Augen sind voller Gier.
»Ich brauche dich, Zara«, sagt er. »Ich brauche … Bitte, hilf mir, Zara. Ich brauche dich, um … Ich halte es nicht aus, nur ein einfacher Gefolgsmann zu sein.«
»Ian!«, schreit Megan.
Seine Lippen kommen näher. Benommen und schwindelig wie ich bin, stoße ich ihn weg. Ich habe zu viel Blut verloren, deshalb kann ich kaum die Augen offen halten.
»Nein«, flüstere ich. »Bitte … nicht.«
Aber seine Arme sind stark und seine Lippen nahe, und die Begierde hat ihn voll im Griff. Und ich? Ich kann nicht mehr. Ich drücke meinen Kopf an seine Brust, um seinen Lippen zu entkommen, und lass mich in die Dunkelheit fallen.
Nosocomephobie
Die Angst vor Krankenhäusern
Das Knurren ist nicht menschlich.
Ich weiß es.
Obwohl ich die Augen nicht öffnen oder meinen Mund dazu bringen kann, auch nur ein dummes Wort zu formen, weiß ich, dass das Knurren weder von einem Menschen noch von einem Elfen stammt.
»Sie wird gesund werden. Sie wird bestimmt wieder gesund werden«, sagt eine Stimme. Die Stimme eines Mädchens.
Die Welt ergibt keinen Sinn. Schnee bedeckt sie. Ich liege unter dem Schnee. So ist es. Oder? Der Schnee bedeckt mich. Er ist schwer und weiß.
Ich höre die Stimme eines Mannes. »Ich bring ihn um.«
Dann wieder das Mädchen. »Das hat sie schon besorgt.«
Etwas Nasses berührt meine Wange. Ein Waschlappen? Eine Träne?
Der Mann wieder. »Das ist meine Schuld, alles meine Schuld. Ich habe sie nicht beschützt.«
Nick?
Bettys Stimme: »Doch, das hast du. Ich muss ihren Arm schienen. Sie hat so viel Blut verloren.«
Betty! Gram!
Jemand berührt meinen Arm, und der Druck erschreckt mich so, dass ich aus dem Schnee in den Betonraum zurückkehre. Ich schreie.
»Zara!«
Das Mädchen. »Sie hat eine dicke Beule am Kopf. Und sie hat sich den Arm gebrochen.«
Die Welt schwindet wieder dahin. Ich höre noch eine Stimme, die Stimme meines Dads.
»Zara, halt durch«, fordert er mich auf. »Halt durch.«
»Daddy?«, sagt jemand. Ich strecke den Arm aus und suche etwas zum Festhalten, aber jemand drückt mir den Arm hinunter.
»Sie halluziniert.«
Der Schnee dringt in mich hinein. Er ist über mir, um mich herum, überall.
»Es ist kalt«, sagt eine Stimme. »Mir ist so kalt.«
Der Schnee fällt und fällt und fällt, und ich lasse mich einschneien. Es gibt keine andere Möglichkeit. Es ist so kalt.
Sie lassen mich nicht gehen.
»Zara«, beharrt eine der Stimmen. »Zara, wir müssen dich hier wegbringen. Kannst du dich aufsetzen?«
Ich versuche, durch den Schnee zurück zu einem Ort zu schwimmen, wo es warm ist. Aber da schlägt der Schmerz wieder zu, er schießt durch meinen Arm, hämmert in meinem Kopf. Meine Augen zucken, und ich öffne sie, aber ich kann nicht scharf sehen.
»Nick?«
»Ich bin hier, Süße.«
»Meine Mutter sagt Süße zu mir«, stoße ich krächzend hervor. Warum ist meine Stimme so schwach und komisch, heiser, aber dennoch flüsterdünn? Wo ist meine Mutter?
Ich keuche, als jemand etwas auf meinen Arm legt. Ich versuche wieder, die Augen zu öffnen. »Ich kann nicht sehen.«
»Hat er sie geküsst?«, fragt ein Mädchen.
Es ist Issie. Issie? Warum ist Issie hier?
»Ich glaube nicht, jedenfalls nicht lange. Ich bin rechtzeitig gekommen«, antwortet Betty. »Nick, hast du gesehen, ob er sie geküsst hat?«
»Ich glaube nicht.«
»Es tut so weh«, stoße ich hervor. »Bitte macht, dass es aufhört wehzutun.«
»Ja. Ja, Süße. Es wird alles gut.« Nicks Stimme dringt wieder zu mir, dicht an meinem Ohr. Ich packe mit meiner freien Hand seine Schulter. Sie ist nackt. Eine nackte Schulter. »Wir müssen dich zu einem Arzt bringen. Einverstanden?«
Issies Stimme tröstet mich. »Wir passen auf dich auf, Zara. Mach dir keine Sorgen.«
Langsam kann ich wieder scharf sehen. Nicks Gesicht, seine Augen, perfekte, menschliche, braune Augen sehen mich an, aber dann verschwimmen sie mit den Wänden, mit meiner Ohnmacht.
»Verlass mich nicht.« Meine Hand rutscht von Nicks Schulter. Ich kann sie nicht mehr dort halten.
Kalt. Eis. Starr. Tod.
Novercaphobie,
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