Fluesterndes Gold
versprochen.«
»Sie kommt?«, fragt Devyn. Er parkt seinen Rollstuhl neben der Couch. Issie lässt sich neben ihm auf den Boden fallen und schaut zu uns auf, während wir uns unterhalten.
»Sie hat versucht einen Flug zu bekommen, aber alle hatten Verspätung oder wurden gestrichen. Jetzt kommt sie mit dem Auto«, berichte ich.
»Meinst du, das ist ein gute Idee?«, fragt Devyn.
»Zuerst schon … jetzt nicht mehr.«
»Weil …«, drängt Issie.
»Weil ich glaube, dass in Wirklichkeit sie diejenige ist, die in Gefahr schwebt, nicht ich. Zumindest was den Typen betrifft, der den Elfenkönig gibt. Ich bin, glaube ich, nur der Köder.«
»Der Köder«, wiederholt Devyn todernst, als würde auf einmal alles einen Sinn ergeben.
»Überlegt doch. Fast siebzehn Jahre lang ist meine Mutter nicht hierher zurückgekehrt. Warum?«
»Es ist kalt hier«, sagt Devyn.
»Es ist unheimlich«, fügt Issie hinzu,
»Das reicht nicht. Schließlich lebt meine Großmutter hier«, erkläre ich.
Issie schaut sich um. »Wo ist sie überhaupt?«
»Patrouilliert draußen ums Haus herum«, sage ich. Okay. Warte. Was wollte ich sagen? Ach so: »Meine Mutter ist nicht hierher zurückgekommen, weil sie Angst hatte. Sie hat sich vor den Elfen versteckt. Aber warum?«
»Gute Frage«, sagt Nick, der gerade durch die Eingangstür kommt.
»Bist du gestört?« Issie zieht die Augenbrauen hoch. »Klopfst du nicht mal mehr an? Weißt du nicht, was sich gehört?«
»Ich weiß wohl, was sich gehört, oder etwa nicht?« Nick schaut mich an, während Issie kichernd skandiert: »Er ist gestört, weiß nicht, was sich gehört, ist gestört, weiß nicht, was sich gehört.«
»Na ja, ich verzeih dir. Aber du hast uns unterbrochen.« Ich klopfe auf die Couch, und er setzt sich neben mich. »Also, meine Mutter lebt mit meinem Dad zusammen, diesem Werwesentypen, und Werwesen sind so ungefähr die Einzigen, die es mit Elfen aufnehmen können. Aber dann stirbt mein Dad. Er stirbt genau in dem Augenblick, in dem er den Elfenkönig vor unserem Fenster sieht. Er stirbt genau in dem Augenblick, in dem wir ihn am meisten brauchen.«
»Das ist echt Scheiße«, sagt Issie.
»Issie …«, tadelt Devyn.
»Warum? Ist doch so.« Sie schaut mich an. »Dann hat deine Mom dich hierher geschickt, damit Betty auf dich aufpasst.«
»Genau«, sage ich und zupfe an dem Faden um meinen Finger, »oder um mich aus der Schusslinie zu bringen, weil sie Angst hatte, dass der Elfenkönig mich benutzt, um an sie ranzukommen. Und genau das hat er getan. Sie hat nicht weit genug vorausgedacht. Sie hat mich hierher geschickt, wo der Elfentyp lebt, und jetzt reist sie mir hinterher, hierher, wo er am meisten Macht hat.«
Devyn kratzt sich am Ohr. »Ich kapier nicht, warum die Elfen überhaupt hier sind. Warum hier? Warum Bedford?«
Gram öffnet die Tür und betritt das Wohnzimmer. Vorn auf ihrem Flanellhemd ist ein großer nasser Fleck. Wir verstummen.
»Sag du es uns, Gram«, bitte ich sie.
Sie zieht sich die Wollmütze vom Kopf. »Was soll ich euch sagen?«
»Warum es hier so viele Elfen gibt?«
»Sie sind schon eine Weile hier. Es ist sehr einsam hier.«
»Liegt es auch daran, dass es hier nur wenig Eisen gibt?«, frage ich. »Liegt es daran, dass die Gebäude in den Städten aus Stahl bestehen?«
»Das spielt bestimmt eine Rolle. Aber auch, dass es den Rest der Welt nicht kümmerte, wenn Kühe verschwanden, und man es gar nicht zur Kenntnis nahm, wenn Jungen verschwanden«, antwortet sie. »Vor allem, bevor es das Internet und Satellitenübertragungen gab. Der Rest der Welt interessiert sich nicht dafür, was in einer kleinen Stadt in Maine, östlich von Nirgendwo passiert. Aber die Zeiten haben sich geändert. Schon letztes Mal mussten die Elfen vorsichtiger zu Werk gehen. Die überregionalen Zeitungen bekamen Wind von den verschwundenen Jungen.«
»Warum war das den Elfen nicht egal?«
Gram kommt gar nicht ganz ins Wohnzimmer rein, sondern lehnt gegen das Treppengeländer. »Ich glaube nicht, dass der Elfenkönig die Jungen gerne entführt. Aber er muss. Es ist eine Begierde, der er nicht widerstehen kann.«
»Warum töten ihn die Leute dann nicht einfach?«, will ich wissen.
»Erstens wissen nicht alle von ihm. Nicht einmal alle Werwesen in der Gegend. Außerdem würde nach ihm ein anderer kommen, und dem würde seine Begierde vielleicht nicht so viel Kopfzerbrechen bereiten.« Sie schaut uns der Reihe nach konzentriert an. »Versteht ihr, was ich sagen
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