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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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heulenden Nachtwind hinaus:
    »Fertility Hollis!«, schreit er.
    »Danke!«, schreit er.
    In die Dunkelheit hinter uns, in die Dunkelheit und in die Splitter und Scherben und Trümmer hinter uns brüllt Adam: »Ich werde kein Wort von deinen Prophezeiungen vergessen!«

Kapitel 10
    In der Nacht, bevor wir nach Hause kommen, erzähle ich meinem großen Bruder alles, was mir von der credistischen Kirchenkolonie noch im Gedächtnis geblieben ist.
    In der Kirchenkolonie haben wir unsere Nahrungsmittel alle selbst erzeugt. Weizen und Eier und Schafe und Vieh. Ich erinnere mich, wie wir unsere Obstgärten gepflegt und im Bach funkelnde Regenbogenforellen gefangen haben.
    Wir sitzen auf der Veranda eines Casa Castile, das mit sechzig Meilen die Stunde die Interstate 80 hinunter durch die Nacht von Nebraska fährt. Ein Casa Castile hat Kristallleuchter an allen Wänden und vergoldete Wasserhähne, aber weder Strom noch Wasser. Alles ist schön, aber nichts funktioniert.
    »Keine Elektrizität, kein fließendes Wasser«, sagt Adam. »Genau wie in unserer Kindheit.«
    Wir sitzen auf der Veranda und lassen die Beine über der unter uns dahinrasenden Straße baumeln. Uns umwirbein die stinkenden Abgase des Dieselmotors.
    In der credistischen Kirchenkolonie, erzähle ich Adam, haben die Leute ein einfaches, erfülltes Leben geführt. Wir waren ein stolzes und standhaftes Volk. Wir hatten saubere Luft und sauberes Wasser. Unsere Tage waren mit Nützlichem gefüllt. Unsere Nächte waren ganz und gar Nächte. Daran kann ich mich erinnern.
    Und deshalb möchte ich nicht wieder dorthin.
    Dort ist ja nur noch die Tender-Branson-Deponie für Prekäres Material. Wie das alles aussieht, der ganze über Jahre hin abgelagerte Pornoplunder aus dem ganzen Land, will ich gar nicht mit eigenen Augen sehen. Der Agent hat mir die Belege gezeigt. Tonnenweise Schweinkram, containerweise, lastwagenweise, waggonweise wird das Zeug dort ständig angeliefert und von Bulldozern meterdick über die kompletten achttausend Hektar verteilt.
    Ich will das nicht sehen. Ich will nicht, dass Adam es sieht, aber der hat immer noch seine Pistole, und ich habe Fertility nicht hier, die mir sagen könnte, ob die geladen ist oder nicht. Außerdem bin ich es ja gewöhnt, dass man mir sagt, was ich tun soll. Wohin ich gehen soll. Wie ich mich verhalten soll.
    Mein neuer Job besteht darin, Adam nachzulaufen.
    Also fahren wir jetzt in die Kirchenkolonie zurück. In Grand Island werden wir ein Auto klauen, sagt Adam. Gegen Sonnenaufgang werden wir das Tal erreichen, prophezeit Adam. Das sind nur noch wenige Stunden. An einem Sonntagmorgen werden wir nach Hause kommen.
    Wir beide blicken in die Dunkelheit und alles, was wir bis jetzt verloren haben, und Adam sagt: »Woran erinnerst du dich sonst noch?«
    In der Kirchenkolonie war immer alles sauber. Die Straßen waren immer in gutem Zustand. Die Sommer waren lang und mild, und alle zehn Tage hat es geregnet. Ich erinnere mich an friedliche und heitere Winter. Ich erinnere mich, wie wir Samen von Ringelblumen und Sonnenblumen sortiert haben. Ich erinnere mich, dass ich Holz gehackt habe.
    »Erinnerst du dich an meine Frau?«, fragt Adam.
    Eigentlich nicht.
    »War auch nichts Besonderes«, sagt Adam. Er hält die Pistole mit beiden Händen im Schoß, andernfalls säße ich jetzt nicht hier. »Sie war eine Biddy Gleason. Wir wären sehr glücklich miteinander geworden.«
    Bis jemand die Regierung auf den Plan rief und die Untersuchung losging.
    »Wir hätten ein Dutzend Kinder gekriegt und Geld wie Heu gemacht«, sagte Adam.
    Bis der Bezirkssheriff kam und amtliche Unterlagen für jedes einzelne Kind sehen wollte.
    »Wir wären auf der Farm alt geworden, und die Jahre wären eines wie das andere gewesen.«
    Bis das FBI die Untersuchung startete.
    »Eines Tages wären wir Kirchenälteste geworden«, sagt Adam.
    Bis zur Erlösung.
    »Bis zur Erlösung.«
    Ich erinnere mich, wie still und friedlich das Leben im Tal der Kolonie war. Kühe und Hühner liefen frei umher. Die Wäsche draußen an der Leine. Der Duft des Heus in der Scheune. Apfelkuchen, der auf allen Fenstersimsen zum Abkühlen stand. Ich erinnere mich, dass es ein vollkommenes Leben war.
    Adam sieht mich an und schüttelt den Kopf.
    »Was für ein Dummkopf du bist«, sagt er.
    Adam sieht im Dunkeln aus, wie ich aussehen würde, wenn nichts von diesem ganzen Chaos über mich hereingebrochen wäre. Adam ist das, was Fertility meine Kontrollgruppe nennen würde. Wäre

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