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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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ich nie getauft und in die Außenwelt geschickt worden, wäre ich nie zu einer über die Maßen aufgeblasenen Berühmtheit geworden, dann hätte ich jetzt Adams schlichte blaue Augen und saubere blonde Haare. Meine Schultern wären straff und symmetrisch. Meine manikürten Hände mit Klarlack auf den Nägeln wären seine starken Hände. Meine rissigen Lippen würden den seinen gleichen. Meine Rücken wäre gerade. Mein Herz wäre sein Herz.
    Adam blickt in die Dunkelheit und sagt: »Ich habe sie vernichtet.«
    Die überlebenden Credisten.
    »Nein«, sagt Adam. »Alle. Die gesamte Kirchenkolonie. Ich habe die Polizei gerufen. Ich habe mich eines Nachts auf der Suche nach einem Telefon aus dem Tal geschlichen.«
    Ich erinnere mich an die Vögel, die in den Bäumen der Credisten lebten. Und wie wir Flusskrebse fingen, indem wir ein Stück Speck an einen Faden banden und in den Bach hängen ließen. Wenn wir den Speck dann wieder herauszogen, war er ganz mit Flusskrebsen bedeckt.
    »Ich hab mit der Null zuerst wohl bloß die Vermittlung erwischt«, sagt Adam, »dort aber jedenfalls nach dem Sheriff gefragt. Als dann jemand abgenommen hat, habe ich ihm erzählt, dass nur eins von zwanzig Credistenkindern eine gültige Geburtsurkunde besitzt. Dass die Credisten ihre Kinder vor der Regierung verstecken.«
    Ich erinnere mich an die Pferde. Pflüge und Wagen, die von Pferdegespannen gezogen wurden. Wir nannten sie nur nach ihrer Farbe, weil es eine Sünde war, einem Tier einen Namen zu geben.
    »Ich habe demjenigen erzählt, dass die Credisten ihre Kinder missbrauchen und praktisch keine Steuern auf ihre Einnahmen bezahlen«, sagt Adam. »Ich habe ihm erzählt, dass die Credisten faul und träge sind. Ich habe ihm erzählt, dass die credistischen Eltern ihre Kinder als Einnahmequelle benutzen. Dass sie ihre Kinder wie Leibeigene halten.«
    Ich erinnere mich an die Eiszapfen, die an den Häusern hingen. Die Kürbisse. Die Erntefeuer.
    »Ich habe die ganze Untersuchung veranlasst«, sagt Adam.
    Ich erinnere mich an die Kirchenlieder. Das gemeinsame Anfertigen von Decken. Die gegenseitige Hilfe beim Scheunenbau.
    »In jener Nacht habe ich die Kirchenkolonie für immer verlassen«, sagt Adam.
    Ich erinnere mich, dass wir gehegt und umsorgt wurden.
    »Wir hatten gar keine Pferde. Die paar Hühner und Schweine, die wir hatten, waren nur was fürs Auge«, sagt Adam. »Du warst doch immer in der Schule. Du erinnerst dich nur an das, was man dir vom Leben der Credisten vor hundert Jahren erzählt hat. Klar, vor hundert Jahren hatte natürlich jeder Pferde.«
    Ich erinnere mich, wie glücklich ich im Schoß einer Familie war.
    »Schwarze Credisten gab es natürlich nicht«, sagt Adam. »Die Kirchenältesten waren rassistische, sexistische weiße Sklavenhalter.«
    Ich erinnere mich an das Gefühl der Geborgenheit.
    »Deine Erinnerungen sind alle falsch«, sagt Adam.
    Ich erinnere mich an entgegengebrachte Liebe und Wertschätzung.
    »Du erinnerst dich an Lügen«, sagt Adam. »Man hat dich erzogen, ausgebildet und dann verkauft.«
    Aber ihn nicht.
    Nein, denn Adam Branson war ein erstgeborener Sohn. Nur um drei Minuten, aber das war der entscheidende Unterschied. Er war zum Besitzer erkoren. Scheunen, Hühner und Lämmer. Friede und Sicherheit. Er war zum Erben der Zukunft bestimmt, und ich zum Dasein eines Arbeitsmissionars, Rasen mähen, Rasen mähen, Arbeit ohne Ende.
    Die dunkle Nacht von Nebraska, die schnell und warm um uns vorbeirauschende Straße. Mit einem ordentlichen Stoß, sage ich mir, könnte ich Adam Branson für immer aus meinem Leben vertreiben.
    »Fast unsere gesamten Nahrungsmittel haben wir von der Außenwelt bezogen«, sagt Adam. »Ich habe eine Farm geerbt, auf der meine Kinder zum Verkauf gezüchtet wurden.«
    »Wir haben nicht mal den Müll wiederverwertet«, sagt Adam.
    Und deswegen hat er den Sheriff angerufen?
    »Ich erwarte nicht, dass du das verstehst«, sagt Adam. »Du bist immer noch der Achtjährige auf der Schulbank und in der Kirche, du glaubst alles, was man dir erzählt. Du erinnerst dich an Bilder in Büchern. Man hat dein ganzes Leben für dich geplant. Du schläfst immer noch.«
    Aber Adam Branson ist wach?
    »Wach geworden bin ich in der Nacht, in der ich dann telefoniert habe. In dieser Nacht habe ich etwas getan, was nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte«, sagt Adam.
    Und jetzt sind alle tot.
    »Alle außer dir und mir.«
    Und mir bleibt nur noch, mich selbst umzubringen.
    »Dafür hat

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