Flug des Adlers
Grogversion des guten alten Studentenfutters. Er ergriff eine der zigarrengroßen Fleischrollen und schnüffelte an der öligen, pfeffrigen Marinade. Narcisse konnte sogar aus dem schwammigsten Beinwurmfleisch eine Delikatesse zaubern, die schmeckte wie Filet in Soße, aber er nahm an, dass es sich bei diesem Fleisch um Schwein handelte.
»Du kannst noch nicht gehen«, sagte sie. »Erst muss ich dir noch eine Umarmung aufdrängen.«
Er ging in die Knie, damit sie ihn umarmen konnte. Diese misshandelten Glieder, die sich erstmals auf einer Straße in der heißen Sonne Haitis um seinen Hals gelegt hatten, pressten sich an seine Schläfen, so fest, als wollten sie irgendwo an seinem Corpus callosum wieder zusammentreffen. Sie schloss die Augen und sprach Kreolisch mit ihm, fügte die Worte so schnell aneinander und redete so leise, dass er nicht die Spur einer Chance hatte, sie mit dem wenigen Quebec-Französisch seiner Mutter zu verstehen. So ging es noch einige Momente, bis seine Haut unter dem Druck ihrer Arme zu kribbeln anfing.
Schließlich ließ sie von ihm ab.
»Was hatte das zu bedeuten?«, fragte er.
»Ich habe IHN gebeten, Honigwaben auf deinen Weg zu legen, um dir die Reise zu versüßen. Es ist zu viel Bitternis in dir, Daveed, und sie sucht sich einen Weg nach außen.«
Narcisse hatte ein Talent, sich geheimnisvoll auszudrücken, das manchmal mit dem der Weltenweber mithalten
konnte. Valentine fragte sich, ob er grob zu Blake gewesen war oder zu den Gebrüdern Bloch von der Miskatonic, als er ihnen ihre Marschorder gegeben hatte. »Wenn du mich einfach mit etwas Melasse würzen könntest, so wie dein Löffelbrot.«
Narcisse schürzte die Lippen und puffte ihn mit dem verstümmelten Arm an das Brustbein. »Du siehst schon besser aus. Geh jetzt, oder ich muss ein bisschen weinen. Vielleicht weine ich sowieso, aber ich will nicht, dass du dabei bist.«
Nach drei Tagen, in denen er rund um die Uhr auf einem Beinwurm gereist war, erreichte Valentine das Nancy’s nördlich von Tulsa am Vorabend des vereinbarten Treffens. Er hatte eine Vereinbarung mit einem Fahrer des Hasenfußclans getroffen, den er im Stillen »Tic-tac« nannte, weil der Rücken des Grogs aussah, als hätten ein paar Betrunkene mit glühenden Messern auf ihm Tic-tac-toe gespielt.
Was so unwahrscheinlich nicht war. Gefangene Grogs wurden bisweilen grausam misshandelt, um sie das Fürchten zu lehren, ehe man sie wieder freiließ. Andererseits wurden gefangene Menschen oft verspeist oder versklavt, folglich war es eine Frage des Blickwinkels, was man als grausamer empfand.
Sie wechselten sich am Zügel des Reittiers Tag und Nacht ab und mieden das Terrain der VFR. Valentine hoffte, dass die inoffizielle Waffenruhe in den Waldgebieten von Missouri, die begonnen hatte, als er zur Katze geworden war, immer noch andauerte und keine ausgedehnten Patrouillen unterwegs waren, die bereit wären, ein Wiederaufleben der Kampfhandlungen zu riskieren, indem sie zwei Leute festnahmen, die aussahen wie ein unbedeutender menschlicher Händler und sein Beinwurmführer.
Probleme traten in Form einer Sechs-Mann-Patrouille auf. Drei stellten sich ihm in den Weg, drei weitere warteten kniend im Gebüsch. Fünf halbe Kinder und ein älterer Unteroffizier. Die Kinder waren zu jung und der Unteroffizier zu grau bis hin zu dem Haar, das ihm aus den Ohren wuchs.
Valentine empfand Mitleid mit dem Alten, der ein Rudel Milchbärte hüten musste, die zu jung waren, um zu begreifen, wie leicht sie sterben konnten. Aber die Dickichte von Missouri waren geeignet, die Jungs Erfahrungen sammeln zu lassen, ohne sie den Gefahren in den Sümpfen rund um New Orleans, den ungeschützten Ebenen im Westen oder der Passage zwischen Crowley’s Ridge und Memphis auszusetzen.
Valentine behielt die Gewehre im Auge und suchte nach einer Fluchtroute durch das Gestrüpp. Sollte es schlecht für ihn aussehen, würde er sich von dem Beinwurm fallen lassen und laufen wie ein Hase, würde auf dem schlammigen Boden Haken durch die ersten Frühlingsblumen und die Brombeerbüsche schlagen.
»Hey, Jungs«, rief Valentine. »Lust auf ein bisschen Freudensaft, um die nächtliche Kälte aus den Knochen zu vertreiben?«
»Seht euch den Stuhl an. Der hat es sich auf diesem Beinwurm echt bequem gemacht«, sagte einer der Jungs im Gebüsch zu seinen Kameraden.
Das Gewehr des Unteroffiziers baumelte an seinem Riemen, aber der Mann hatte die Hand lässig in seinen Gürtel gehakt, nahe am
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