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Flug des Adlers

Titel: Flug des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. E. Knight
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anschließen, aber da ich mit keinem von ihnen verwandt oder verschwägert war, konnte ich nicht herausfinden, wo sie sich versteckt hatten. Dann war da diese Angriffsrede«, erzählte sie. »Ich habe sie nicht gehört, aber ich habe in einem Faltblatt davon gelesen. Jedenfalls wusste ich nichts Besseres zu tun, also habe ich einen Reifenstapel vor einer TMCC-Werkstatt angezündet. Dafür mussten ein paar Pförtner ihr Leben lassen.«
    »So solltest du das nicht sagen«, sagte Valentine. »Die Vasallen der Kur haben sie exekutiert, nicht du.«
    Valentine wartete, bis sie sich von der Erinnerung an die aufgeknüpften Leichen löste und nach Oklahoma zurückkehrte. »Ich habe noch ein paar andere Dinge getan«, fuhr sie dann fort. »Nachts habe ich Reifen zerstochen, und ich habe gelernt, wie man ein spannungsführendes Stromkabel kappt. All solche Sachen, mit denen ich heimlich ein bisschen Schaden anrichten und davonlaufen konnte.«
    »Ein Mädchen nach meinem Geschmack«, sagte Duvalier.
    »Wenn ich recht verstehe, hat sie die Zeremonie nie mitgemacht.« Valentine musterte die Narbe in seiner Handfläche, die in der von dem Beinwurmhaken schwieligen Haut kaum mehr auszumachen war.
    »Nein«, sagte Duvalier, und Jules blickte zu Boden und versteckte sich unter ihrem Haar. Warum schämte sich das Mädchen nur? Es war nicht ihre Schuld, dass die Weltenweber verschwunden waren.
    Eine furchtbare Sekunde lang fragte sich Valentine, ob sie womöglich eine kurische Agentin war, die sich einen
Weg in das Kommando Süd bahnen wollte. Nein, Duvalier hatte eine gute Menschenkenntnis. Und niemand ging einfach zu den Katzen und bat um Aufnahme. Die Katzen suchten sich ihre Mitkatzen selbst.

    Nach dem Abendessen verschwand Duvalier. In all der Zeit, die er sie kannte, hatte sie sich nie sonderlich für Abschiedsszenen begeistern können - wie eine Komparsin in einem Bühnenstück, pflegte sie unauffällig aufzutreten und wieder abzugehen.
    Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum in ihren Adern noch immer Blut floss nach all diesen Jahren, in denen sie immer wieder in die kurische Zone vorgedrungen war.
    Valentine sah sich im Nancy’s um. Noch immer lebten hier Dutzende verkrüppelter Quislinge, erbarmungswürdige Gestalten, die an ihr Bett oder ihren Rollstuhl gefesselt waren. Beim Kommando Süd hatte man ihn gelehrt, die Kur würden Krüppel konsumieren, auch die, die bei der Verteidigung ihrer Herrschaft verwundet wurden. Verschont wurden demnach nur die, die bei Zusammenkünften oder Blutspendeaktionen zur Schau gestellt wurden. Ob das Nancy’s diese Soldaten mit irgendeinem Hütchenspiel gerettet hatte, oder ob sie durch die plötzlichen Umwälzungen davongekommen waren oder ob er vielleicht ein, zwei Löffelchen Propagandamedizin verabreicht bekommen hatte, konnte er nicht beurteilen.
    Hinter einem Schwesterntisch sah er Nancy persönlich im Gespräch mit Leuten, bei denen es sich anscheinend um Ärzte handelte. Ihr Gesicht war so knautschig wie das einer Bulldogge, und ihr Haar, das einem Falkennest auf einem Mast ähnelte, ließ sie ein wenig verrückt aussehen, aber sogar die Mediziner hörten zu, was sie zu sagen hatte.

    Als es Nacht wurde, kehrten die Leute zurück in die miteinander verbundenen Gebäude und versammelten sich um die kleinen Kohleöfen der Anlage, die Hitze zum Kochen und Wäschewaschen lieferten.
    Die redseligeren Bewohner der Zuflucht sprachen entweder über Tulsa - wann würde die Stadt endlich freigegeben werden, so dass die Leute zurückkehren konnten, um nachzusehen, was von ihrem Leben übrig geblieben war - oder über die Chancen, weit weg von den Kampfgebieten in Texas oder Arkansas Arbeit zu finden.
    Und dann waren da die Schwarzseher. »Die kommen zurück«, sagte ein Mann mit blankem Oberkörper, an dessen Hosenträger eine Dienstmarke der Kur hing. »Es gibt keinen sicheren Ort. ›Verbrannte Erde‹ haben die Kur versprochen, und dass ihr die Flamme noch nicht gespürt habt, heißt nicht, sie würde nicht brennen.«
    Auch jetzt, da die Anlage als improvisierte Flüchtlingsunterkunft fungierte, konnte Valentine die Sauberkeit der Räume nur bewundern. Sie waren einheitlich in einer Farbe gestrichen, die er als »gedämpftes Neongrün« bezeichnete. In dem Medizinschränkchen im gemeinsamen Badezimmer fanden sich mehrere Tonika für Duvaliers immer wieder aufflackernde Magenprobleme, antiseptische Wundsalben und ein Thermometer. Die einzige Enttäuschung stellte die nach Asche

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