Flug in den Weltraum
Funkverbindung mit der Turmstation zu bekommen. Müßig stand er vor dem auf Empfang gestellten Apparat, als der Schreibhebel wieder zu ticken begann. Meldete sich die Turmstation jetzt doch? Kam die Verbindung wieder in Gang? Seine Blicke folgten dem Spiel des Farbschreibers. Halblaut formten seine Lippen die Worte, die vor ihm in Form von Punkten und Strichen auf dem Papier entstanden, und dann ging plötzlich ein Leuchten über sein Gesicht. Worte in seiner Muttersprache, japanische Worte waren es, die der Apparat dort niederschrieb. Worte, die ihn mit Stolz erfüllten, ihm eine unbeschreibliche Freude bereiteten.
Noch verfolgte er das tickende Spiel des Schreibhebels, als ein Aufschrei Hegemüllers ihn aufblicken ließ. Etwas Großes, Glänzendes war, von unten herkommend, jäh an ihnen vorbeigeschossen; war schon wieder in der Höhe verschwunden, bevor die drei Insassen der Rakete es recht zu fassen vermochten.
»Was war das?« Kaum hörbar kamen die Worte von Grabbes Lippen.
»Eine Rakete ist’s gewesen! Noch eine Rakete! Eine dritte Rakete!« schrie Hegemüller gänzlich außer sich.
Grabbe warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Haben Sie Halluzinationen, Hegemüller? Machen Sie kalte Umschläge, wenn wir glücklich wieder gelandet sind. Noch eine Rakete? Eine dritte Rakete? Sehen Sie am hellichten Tage Gespenster?«
Bevor Hegemüller etwas erwidern konnte, mischte sich Saraku ein. »Herr Doktor Hegemüller hat richtig gesehen. Es war eine dritte Rakete.«
»Der Teufel soll daraus klug werden«, brauste Chefingenieur Grabbe auf. »Ist denn heute alles verhext? Wir sind in dem Glauben aufgestiegen, daß wir die einzige auf Erden vorhandene Strahlrakete besitzen, und jetzt hagelt’s Raketen von allen Seiten. Das begreife, wer kann!«
Wieder ließ sich Saraku vernehmen. »Es war die Rakete, die mein Lehrer, Herr Hidetawa, in Tokio gebaut hat.«
Grabbe faßte sich an den Kopf, sprach mehr zu sich selbst als zu den anderen.
»... Hidetawa ... ja, wir wissen, daß er eine Rakete baut ... in Tokio ... doch wie kommt die jetzt hierher?«
Saraku gab ihm Antwort. »Herr Hidetawa flog heute nacht von Tokio fort, um sie in Gorla zu zeigen. Nach der Landung hörte er, daß Professor Lüdinghausen in Sorge um seine Rakete war, und stieg wieder auf, um uns zu suchen.«
»Woher wissen Sie das?« fragte Grabbe. Saraku deutete auf den Papierstreifen.
»Herr Hidetawa funkte es mir vor kurzem.«
Grabbe rieb sich die Stirn. »Gut, Herr Saraku. Bis dahin verstehe ich die Sache. Aber nun hat er uns gefunden. Warum flog er an uns vorüber?«
»Weil er auch die dritte Rakete zurückholen will.«
Grabbe gab es auf, sich weiter den Kopf zu zerbrechen. Erst nach längerem Schweigen fand er wieder Worte.
»Meine Hochachtung, wenn er das fertigbringt. Wir haben es aufgegeben.«
»Meinem Lehrer wird es gelingen.« Unbedingte Zuversicht klang aus den kurzen Worten Sarakus.
Der Rückflug begann. Vorläufig waren die Steuermanöver noch von einfacher Art und ließen dem Chefingenieur Zeit, seinen Gedanken über das eben Gehörte nachzuhängen. Lüdinghausen war in Sorge um sie, hatte ihnen Hidetawa mit seiner Rakete nachgeschickt ... hatte also offenbar ihren Funcspruch über das unerwartete Auftauchen von Hegemüllers alter Maschine nicht bekommen ... Grabbes Blick ging zur Wanduhr. Wenig mehr als eine Dreiviertelstunde war erst verstrichen, seitdem er den Flug begonnen hatte, doch wie eine Ewigkeit kamen sie ihm vor. Das fremdartige Licht in den höchsten Höhen der Stratosphäre begann auf seine Nerven zu drücken. Noch befand sich die Maschine ja einhundertfünfzig Kilometer von der Erdoberfläche entfernt, wenn sie ihr in jeder Sekunde auch um viele Meter näher kam. Grabbe verspürte plötzlich Sehnsucht nach grünen Wiesen und Wäldern, nach Vogelsang und Blumenduft und bewegte das Steuerrad, um den Abstieg noch zu beschleunigen.
Mit hundert Meter in der Sekunde sank die Rakete nach unten. Noch etwa 25 Minuten – so überrechnete er es im Kopf –, dann würde er wieder festen Boden unter den Füßen haben, würde wieder frische Sommerluft in die Lungen ziehen können und nicht mehr die künstliche Atmosphäre zu atmen brauchen, die hier im Innern der Rakete mit chemischen Mitteln aufrechterhalten wurde.
Schwerfällig vertropften die Minuten. Verzweifelt langsam kroch der Uhrzeiger weiter. Nur das Bewußtsein, daß die Rakete in jeder einzelnen Minute der Erde um sechs Kilometer näher kam, hielt den Chefingenieur
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