Flug in den Weltraum
Eintragung um Eintragung las Dr. Hegemüller vor. Eintönig wirkten die vielen Zahlenangaben über die Geschwindigkeiten und Standorte, doch dazwischen gab es auch Notizen, welche die Zuhörer schärfer aufhorchen ließen. Unter 20 Uhr vermerkt:
»Wir fliegen in hellem Sonnenschein. Es wird warm im Inneren der Rakete. Wir stellen die Heizung ab ...
1 Uhr morgens. Wir sind einer großen Gefahr entronnen. Ein Bolide schoß dicht an der Rakete vorbei. Wenige Meter näher, und unser Schicksal wäre besiegelt gewesen. Wir fliegen mit 10.000 Stundenkilometer durch den Weltraum.
2 Uhr. Yatahira vermindert die Beschleunigung. Wir müssen uns festbinden, um nicht hin und her zu schweben.
5 Uhr 30. Die Mondkugel ist zu einer Scheibe geworden, die einen Teil des Himmels umspannt. Geschwindigkeit 22.000 Stundenkilometer.
9 Uhr. Die Rakete stößt dicht an dem Mondgestirn vorbei. Unsere Geschwindigkeit beträgt nur noch 3 Kilometer in der Minute. Mit gleichbleibender Geschwindigkeit fliegen wir über der Mondoberfläche dahin.
9 Uhr 15. Ich habe die Kamera in Betrieb genommen und mache Aufnahmen. Eben habe ich den Krater Kopernikus fotografiert.
9 Uhr 45. Yatahira hatte alle Hände voll mit der Steuerung zu tun. Wir umfliegen das Nachtgestirn in einer kreisförmigen Schleife.
9 Uhr 50. Die Sonne ist wieder verschwunden. Wir sind in den Mondschatten eingetaucht. Die Navigation wird schwierig. Wir ändern den Kurs und bleiben 1.000 Kilometer von der Mondoberfläche ab.
11 Uhr 15. Die Sonne ist wieder da. Wir befinden uns von der Erde aus gerechnet noch hinter dem Mond. Als die ersten Menschen erblicken wir seine Rückseite. Sie unterscheidet sich nicht von der Vorderseite. Totes Gebirge, Kraterzacken und Felsriffe.
12 Uhr 25. Der Satellit ist umschifft. Yatahira hat Sorge um die Zeit. Er hat versprochen, bis Montag morgens zurück zu sein. Yatahira gibt Beschleunigung auf 10 Sekundenkilometer. Unsere Körper sind schwer wie Blei. Es muß ertragen werden, wenn wir unsere Zeit einhalten wollen.
15 Uhr 30. Wir rasen mit 30.000 Stundenkilometer durch den Raum.
16 Uhr. Erde und Mond erscheinen fast gleich groß.
7 Uhr. Nur noch 45.000 Kilometer von der Erde entfernt. Höchste Zeit, die Bremsung wirken zu lassen.
10 Uhr 30. Einzelheiten der Erdoberfläche werden erkennbar. Unter uns liegt ein weites Meer.
12 Uhr 15. Wir nähern uns den dichteren Luftschichten. Jetzt wird die Situation kritisch. In der Übergangsphase ist enorme Hitzeentwicklung durch den Reibungswiderstand der Luft zu erwarten. Möglich, daß die Rakete samt Insassen zu glühendem Staub verbrennt. Wir haben alles zur Verzögerung der Geschwindigkeit Mögliche getan. Trotzdem läßt sich diese nicht genügend abbremsen. Dazu wären spezielle Bremsraketen nötig. Wie hoch mag jetzt die Chance des Überlebens sein? 50:50? Das wäre vielleicht noch zu optimistisch.
14 Uhr 25. Wir leben noch. Erstaunlicherweise. Beim Eintauchen in die dichtere Luftschicht muß die Rakete von außen wie ein glühendes Geschoß ausgesehen haben. Von innen war es ähnlich wie in einem Kochkessel, trotz der starken Wärmeschutzplatten der Wände. Durch die Kristall-Luke der Kuppel konnten wir sehen, wie der konkave Schutzschild davor zur Weißglut kam, plötzlich aus den Befestigungen riß und davonflatterte. Aber glücklicherweise war da schon das Ärgste überstanden. Jetzt müssen wir zusehen, wie wir nach Hause finden.
15 Uhr. Die Drehlager der Antriebs- und Bremsflächen sind zum Teil verklemmt. Vielleicht auch geschmolzen infolge der fantastischen Hitze. Beinahe ein Wunder, daß wir nicht auch geschmolzen sind.
15 Uhr 10. Sausten mit 4.000 Stundenkilometer Geschwindigkeit abwärts Richtung Indischer Ozean. Dann gelang es Yatahira irgendwie, die Rakete flach zu legen. Fliegen jetzt westwärts Richtung Gorla.
15 Uhr 15. Kursänderung hat sich ausgewirkt. Unter uns liegt Deutschland. Jetzt noch Gorla richtig ansteuern – und dann zu Hause!
15 Uhr 35. Stehen über Gorla. Senken uns langsam herab.
15 Uhr 45. Glücklich gelandet. Jetzt Bad und Rasur! Dann mit den Fotoaufnahmen ins Labor!«
Dr. Hegemüller hatte geendet. Die Stille, die seinen Worten folgte, unterbrach als erster Hidetawa. »Meine Herren, wir stehen jetzt vor der Frage, in welcher Weise wir mit dem, was wir erreicht haben, an die Öffentlichkeit treten wollen.«
»An die Öffentlichkeit treten wollen?« Halb zustimmend, halb zögernd wiederholte Lüdinghausen die letzten Worte Hidetawas. »Halten Sie
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