Flug in Die Nacht
zusammen, der eigentlich der Präsident des Landes war, sich aber in Wirklichkeit auf der Flucht vor dem Ersten Vizepräsidenten befand.
Cowboy Bowman war von Fischern aus der Célebes-See gerettet und Samars Miliz übergeben worden. Seine Fliegerkombi war von Salz und Schlamm verkrustet, und er war hundemüde. Da er vor ihrem Einsatz nicht hatte schlafen können, war er jetzt fast drei Tage auf den Beinen – ganz zu schweigen davon, daß er sich wahrscheinlich den linken Ellbogen gebrochen hatte, als er sich beim Aussteigen den Arm am Cockpitrand angeschlagen hatte. Aber das war bei weitem nicht das Schlimmste an dieser Flucht, die ihm unmenschliche Anstrengungen abverlangte.
Das Schlimmste lag in einem zugenähten Segeltuchsack ganz in seiner Nähe: die Leiche von Bowmans RIO, Oberleutnant Kenny »Cookin« Miller. Sein Fallschirm hatte sich offenbar nicht ganz geöffnet, und bis Bowman ihn im dunklen, warmen Wasser gefunden hatte, war er ertrunken – oder gleich beim Aufschlag umgekommen. Er hatte Millers zerschlagenen Körper in sein Einmannschlauchboot gezogen und das grausig zersplitterte Genick und die verdrehten Gliedmaßen dabei bewußt ignoriert.
Bowman und Miller hatten drei Törns auf der Ranger und jede Menge gemeinsamer Erlebnisse an Land hinter sich. Sie waren mehr als eine F-14-Besatzung – sie waren Freunde.
Bowman war entschlossen, seinen Freund nicht den Haien der Célebes-See zum Fraß zu überlassen. Bis seine Kräfte ihn verließen, würde er den Toten mit sich tragen, ziehen oder schieben.
Seit ihrer Rettung waren Bowman und sein grausiger Gefährte ständig in Bewegung gewesen. Sie hatten zweimal das Boot gewechselt und waren an Land mehrmals anderen Guerillagruppen übergeben worden. Nachdem man ihm den Dienstausweis abgenommen hatte, war Bowman gefesselt worden, hatte eine Augenbinde bekommen und war gewarnt worden, daß er ohne das geringste Zögern oder Bedauern sofort beseitigt werde, wenn er irgendeinen Befehl verweigere oder sich irgendwie verdächtig benehme.
Zwei Tage lang waren sie – nur nachts oder bei schlechtem Wetter – bergauf marschiert; dann waren sie rasch zur Ostküste hinunter marschiert – die Sonne würde bald hinter Samar aufgehen, wo das offene Meer lag. Unterwegs hielten sie sich in Lehmgruben, den hohlen Stämmen von Urwaldriesen oder verfallenen Strohhütten versteckt. Ihre Nahrung bestand aus unreifen Bananen oder anderen kaum genießbaren Früchten und Regenwasser.
Samar war erst letzte Nacht aufgekreuzt. Seine Milizionäre empfingen ihn wie ihren König. Er versammelte ihre Kommandeure zu einer Besprechung, bei der endlos lange auf Tagalog geflüstert wurde.
Bowman hielt General José Trujillo Samar für den geheimnisvollsten, rätselhaftesten, unergründlichsten Mann, der ihm je begegnet war. Samar war Präsident der Philippinen, Gouverneur des Bundesstaats Mindanao, ein reicher Industrieller und Plantagenbesitzer. Und was tat er? Er hielt sich in unzugänglichen Dschungelgebieten auf, trug einen verdreckten Tarnanzug und setzte sein Leben aufs Spiel, um eine Rebellengruppe sicher an chinesischen Infanterie- und Hubschrauberpatrouillen vorbeizuführen.
José Trujillo Samar war der geborene Führer – und sah auch so aus: für einen Filipino ziemlich groß, hellhäutig, breitschultrig und muskulös wie ein Bauer, der in jungen Jahren auf dem Besitz seiner Familie auf der Insel Jolo gewesen war. Als Absolvent der Militärakademie hatte er es bei den Panzeraufklärern bis zum Hauptmann gebracht, bevor er in Ferdinand Marcos’ Geheimdienst eingetreten war. Dort hatte er Karriere gemacht, war rasch zum General befördert worden und hatte zuletzt den Geheimdienst des ehemaligen Präsidenten auf Mindanao geleitet.
In seinen fünf Dienstjahren als Geheimdienstchef hatte Samar Hunderte, vermutlich Tausende von moslemischen Rebellen einkerkern und hinrichten lassen – bis er plötzlich religiös geworden war. Wie Saulus zu Paulus geworden war, verwandelte General Samar sich auf geheimnisvolle Weise vom Moslemverfolger in einen fanatischen Moslemkrieger.
Bowman hatte seinen islamischen Namen schon einmal gehört, aber wieder vergessen; seine Männer nannten ihn »General« und manchmal auch »Jabal«, was »Berg«
bedeutete.
Mehrere von Samar angeführte Aufstände gegen das Marcos-Regime waren blutig niedergeschlagen worden, und der Diktator hatte ein hohes Kopfgeld für ihn ausgesetzt.
Samar hatte gelernt, auf dem Lande zu leben, von einer
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