Flug in Die Nacht
lang allein, bis sein Adjutant anklopfte. »Genosse Admiral, Sie bekommen Besuch. Der philippinische Präsident Teguina bittet um ein kurzes Gespräch unter vier Augen.«
Yin hatte Mühe, seine Überraschung zu verbergen. Was, zum Teufel, will der Kerl von mir … ? Seit dem Staatsstreich hatte Daniel Teguina militärische Fragen ausschließlich mit Generaloberst Chin Po Zihong, dem Oberbefehlshaber der Volksbefreiungsarmee, besprochen; politische Fragen diskutierte er mit Dong Sen Kim, dem chinesischen Botschafterin Manila, oder Außenminister Zhou Ti Yanbing.
Noch vor wenigen Wochen wäre Teguina bereit gewesen, Yin die Füße zu küssen, um sich seine Unterstützung zu sichern – aber seit seinem erfolgreichen Staatsstreich begann Teguina tatsächlich das Märchen zu glauben, China helfe ihm nur, die »Rebellen«zu unterwerfen und sein Land zu retten.
»Richten Sie ihm aus, ich sei zu … schon gut, ich empfange ihn. Sorgen Sie dafür, daß im Salon Erfrischungen gereicht werden – und daß seine dämlichen Fahnen von Sulu und Aguinaldo wieder an die Wand kommen. Und überzeugen Sie sich davon, daß unser Gespräch aufgenommen und von den Videokameras aufgezeichnet wird. Ich will jedes Wort festgehalten haben!«
Yins Adjutant verbeugte sich und hastete davon, um seine Anweisungen auszuführen.
Das sieht diesem Angeber ähnlich, dachte der Admiral.
Noch bevor er ganz an der Macht ist, läßt er für seine neuen »Staaten« bereits Flaggen nähen – über die hämisch lachend hergezogen wird, falls der Coup fehlschlägt.
In Begleitung seiner Leibwache aus schwerbewaffneten Marineinfanteristen machte Admiral Yin Po L’un sich auf den Weg zum Fallreep, um seinen Besucher zu empfangen. Als Teguinas Barkasse in Sicht kam, zog an der Backbordreling eine Ehrenformation auf. Unterwegs wurde das Boot mehrmals angehalten und kontrolliert, bevor es an der Hong Lung anlegen durfte. Dann kam der neue philippinische Präsident die Stufen heraufgehastet. Ein Bootsmann pfiff Seite, die Ehrenformation stand stramm, und der Wachhabende erstattete zackig Meldung.
Yin zwang sich dazu, seine rechte Hand grüßend an den Mützenschirm zu legen. Teguina ignorierte die chinesische Flagge und Yins Gruß. »Ich muß sofort mit Ihnen sprechen, Admiral«,sagte er ohne weitere Vorrede.
»Selbstverständlich, Mr. President«, antwortete Yins Dolmetscher. Er übersetzte dem Admiral rasch Teguinas dringenden Wunsch und seine Antwort darauf, und Yin machte ein finsteres Gesicht, während er Teguina in seinen flaggengeschmückten Salon folgte.
»Der Admiral entbietet dem Präsidenten der Demokratischen Föderation Aguinaldo herzliche Willkommensgrüße«,fuhr Yins Dolmetscher auf englisch fort.
»Der Admiral empfindet Ihren Besuch als große Ehre und gestattet sich, Sie … «
Teguina unterbrach ihn mit einem langen, unverständlichen Wortschwall. Yins Dolmetscher bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten, mußte aber bald aufgeben, weil Teguina immer wütender und schneller sprach. »Er verlangt eine Erklärung dafür, daß die chinesische Regierung mit Vietnam ein Abkommen über die Spratly-Inseln geschlossen hat«, faßte der Dolmetscher zusammen. »Er ist wütend, weil sein Land alle Ansprüche auf die Spratly-Inseln an Vietnam verloren hat.«
»Was soll der Unsinn?« fragte Yin scharf. »Wir haben keinerlei Abkommen mit Vietnam geschlossen!«
»Mr. Teguina sagt, daß Vietnam sich vor kurzem bei einer Abstimmung im Rahmen der Association of South East Asian Nations der Stimme enthalten hat«, berichtete der Dolmetscher, »und daß die Regierung Aguinaldos gerüchteweise erfahren hat, daß China ein Abkommen mit Vietnam geschlossen hat, das diesem Land als Gegenleistung für seine Blockierung einer wichtigen Abstimmung weitgehende Rechte über die Spratly-Inseln einräumt.«
Yin wollte diesen Vorwurf zurückweisen, aber dann erkannte er, daß Teguina vermutlich recht hatte. Das mußte der wahre Grund dafür sein, daß dem ersten Aufschrei der ASEAN-Staaten nach der chinesischen Invasion keine Taten gefolgt waren – Thailand und Vietnam hatten sich der Stimme enthalten. Generaloberst Chin Po Zihong mußte bei einer Kampfabstimmung in Peking unterlegen sein, wenn er zuließ, daß Vietnam die Nansha Dao erhielt … Das hätte China niemals geschehen lassen, wenn Ministerpräsident Cheung seinen Protest nicht energisch zurückgewiesen hätte.
»Ich versichere Ihnen«, erklärte er Teguina gelassen, »daß in unserem
Weitere Kostenlose Bücher