Flug in Die Nacht
Chinesische Kriegsschiffe sind bei Sonnenuntergang in Position gewesen, um Davao zu beschießen. Sobald auch die Landungsschiffe in Position sind, beginnt das Unternehmen.«
»In fünf Stunden? Soll das heißen, daß wir schon zu spät dran sind?«
»Nein, Sir«, antwortete Curtis. »Wie ich schon ausgeführt habe, sind die chinesischen Truppen am verwundbarsten, solange sie noch auf ihren Truppentransportern sind. Entlang der Halbinsel Buoyan mit dem Mount Apo sind bereits Truppen angelandet worden, um die Küstenstädte zu besetzen, aber in Davao sind noch nicht viele gelandet. Um die Geleitzüge aufzuhalten, verminen Samars Rebellen die Kanäle und Buchten. Wir haben also noch Zeit für einen Luftangriff.«
Der Präsident nickte Curtis zu. »Danke, General.« Er wandte sich an Verteidigungsminister Preston. »Thomas? Was haben Sie für mich?«
»An sich plädiere ich dafür, noch zu warten, bis die Trägerkampfgruppen Lincoln und Nimitz sowie die Kampfgruppe Wisconsin in Position sind«, antwortete Preston.
»Andererseits bin ich mir darüber im klaren, daß wir rasch handeln müssen, wenn wir Samar und seine islamischen Rebellen weiter unterstützen wollen.«
Der Präsident schien kurz über seine Worte nachzudenken.
»Danke, Thomas.« Er fragte weiter, um zu erfahren, was Danahall und die Abgeordneten und Senatoren dachten. Einige äußerten sich zögerlich, aber letzten Endes schienen doch alle handeln zu wollen.
Aus seiner mittleren Schreibtischschublade nahm der Präsident einen schmalen roten Ordner und schlug ihn auf.
Unter der Balkenüberschrift STRENG GEHEIM stand:
Executive Order 94-21, Luftangriff, Insel Mindanao, Philippinen. Taylor unterschrieb den Befehl in mehreren Ausfertigungen, legte die Blätter in den roten Ordner zurück und klappte ihn zu.
Dreißig Sekunden später war Wilbur Curtis am Telefon, um mit dem National Military Command Center zu telefonieren.
Andersen AFB, Guam Sonntag,
9. Oktober 1994,19.15 Uhr Ortszeit
Patrick McLanahan wachte eine halbe Stunde vor dem Klingeln seines Weckers auf. Noch zwei Stunden bis zur ersten heutigen Einsatzbesprechung für die Besatzungen der alarmbereiten Maschinen. Etwas mehr Schlaf hätte ihm gutgetan, aber er wußte, daß er zu überdreht war, um ausschlafen zu können.
Sein Schlafzimmer, das er sich mit Major Henry Cobb teilte, war eines der Wartungsbüros im obersten Stock von Hangar 509 am nördlichen Vorfeld der Andersen AFB. In der riesigen Flugzeughalle unter ihnen standen zwei höchst ungewöhnliche Flugzeuge: McLanahans B-2A Black Knight und die EB-52C Megafortress, die vor drei Wochen bei ihrem gemeinsamen Übungsangriff am Powder River die beiden Jäger F-23 Wildcat »abgeschossen« hatte. Ebenfalls hier untergebracht waren die Besatzungen und das Wartungspersonal der HAWC-Flugzeuge und ein ganzer Zug schwerbewaffneter Wachmannschaften.
Um den Piloten nicht zu wecken, schlüpfte Patrick in seine Fliegerkombi, zog seine Socken und Stiefel unter dem Feldbett hervor und wollte auf Zehenspitzen hinausschleichen.
»Gehst du schon?« fragte Cobb von seinem Feldbett aus.
»Ja. Tut mir leid, daß ich dich geweckt habe.«
»Das hast du nicht. Ich hab’ keine Sekunde lang geschlafen.«Cobb schlug die leichte Decke zurück und stellte seine Füße auf den Boden.
»Ich hab’ noch nie in einem Hangar geschlafen – und keine Lust, es noch mal zu versuchen.«
»Amen«, sagte Patrick. »Nach einiger Zeit setzt einem der Geruch wirklich zu. Ich hab’ schon angefangen … schlecht zu träumen.«
Aber McLanahan wollte nicht erzählen, was er geträumt hatte – welchen Einsatz er im Traum flog. Der Traum wiederholte sich jedesmal, wenn er Kerosindämpfe einatmete: Ein lange zurückliegender Morgen in der Sowjetunion … ein verschneiter Jägerflugplatz im sibirischen Anadyr, auf dem er bei klirrendem Frost mitgeholfen hatte, Zehntausende von Litern Kerosin in eine B-52 zu pumpen, damit sie wieder starten konnten, bevor die Russen sie aufspürten. Um ihnen die Flucht zu ermöglichen, hatte David Luger sich für sie geopfert, indem er einen Schützenpanzer mit einem Tankwagen gerammt hatte … Patrick stand dieses grausige Bild unweigerlich wieder vor Augen, wenn er Kerosin roch.
Henry Cobb hatte nicht alle Stories gehört, die über diesen Flug der B-52 Old Dog kursierten, aber er kannte natürlich alle Überlebenden, von denen die meisten im HAWC arbeiteten – im Exil, wie manche sagten –, und hatte die erste Megafortress nach ihrer
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