Flug in Die Nacht
der ihm nach der Detonation des nuklearen Sprengkopfs RK-55 des Lenkflugkörpers Fei Lung-9 entgegen stürmte, hatte eine Geschwindigkeit von sechshundert Metersekunden. Als die beiden aufeinanderprallten, wurden Tamalko, Pilas und der abstürzende Jäger F-4E Phantom II unbarmherzig pulverisiert und verglühten dann in der fünftausend Grad heißen Außenzone des Feuerballs, der schon die philippinische Korvette Quezon und ihre drei Hubschrauber vernichtet hatte.
US Air Force Space Command Command and Control Operations Center Cheyenne Mountain AFB, Colorado zur selben Zeit
Staff Sergeant Amy Hector, eine junge Soldatin der US Air Force, saß im Weltraum-Befehls- und Kontrollzentrum der Luftwaffe tief im Inneren des NORAD-Komplexes im Cheyenne Mountain an der Konsole FOREST GREEN, als die Anzeigen plötzlich verrückt spielten.
»Red Collar, Red Collar«, rief Staff Sergeant Hector über die Lautsprecheranlage des Zentrums und hielt dabei den Rufknopf ihrer Konsole gedrückt, so daß die Warnung Vorrang vor allen sonstigen Durchsagen hatte. Die Ankündigung »Red Collar« sicherte ihr die sofortige Aufmerksamkeit aller – diese einfachen Codewörter hatten dieselbe Wirkung, als wenn sie geschrien hätte, so laut sie konnte.
»Achtung, alle Stationen, hier FOREST GREEN mit einer Ereigniswarnung … « Hector wartete noch einige Sekunden und las dann rasch die Anzeigen ihrer Instrumente vor. Sie wußte, daß der Wachleiter und die einzelnen Abteilungsleiter jetzt auf ihre Plätze hasteten, um ihre eigenen Anzeigen zu kontrollieren. »FOREST GREEN zeigt drei Impulse, die über dem Schwellenwert liegen. System bestätigt Richtigkeit der Anzeige, wiederhole, System bestätigt Richtigkeit, Ereignis Wahrscheinlichkeit ist hoch.« Die Techniker im Cheyenne Mountain sprachen kaum jemals von einer »Atomexplosion«,sondern benützten Umschreibungen wie »Ereignis« oder »Anzeige«, als sei es irgendwie möglich, die grausigen Schrecken, die sich dahinter verbargen, durch eine harmlos klingende Benennung abzublocken.
Der Alarm an diesem Mittwochnachmittag kam von einem verhältnismäßig einfachen Gerät, das seit Jahren praktisch ungenutzt geblieben war. Um die Zahl der Sensoren zu erhöhen, die vom Weltraum aus Atomexplosionen entdecken konnten, ohne neue Satelliten in eine Umlaufbahn bringen zu müssen, war Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre das Geheimprogramm FOREST GREEN verwirklicht worden. Die NAVSTAR-Satelliten des Global Positioning Systems erhielten Sensoren für elektromagnetische Impulse und nach ihrem Erfinder benannte »Bhangmeter«; hochempfindliche optische Sensoren, mit denen sich die Stärke einer Atomexplosion durch Messung der Helligkeit ihres Blitzes bestimmen ließ. FOREST GREEN konnte die gesamte Erdoberfläche überwachen, weil über jedem Gebiet ständig mindestens drei der achtzehn GPS-Satelliten standen.
Charakteristisch für eine Nukleardetonation sind zwei Impulse, von denen der erste schwächer als der zweite ist.
Erzeugt werden sie durch die Zündung des Sprengsatzes und – genau eine Drittel Sekunde später – die Hauptdetonation; deshalb wurden jeweils zwei Bhangmeter mit unterschiedlicher Empfindlichkeit paarweise angeordnet.
Außerdem registrierten die Satellitensensoren zur Messung elektromagnetischer Impulse Störungen der Ionosphäre, bevor die Verbindungen zwischen ihnen und ihren Bodenstationen jäh abrissen.
Der Wachleiter im Operations Center, ein Luftwaffenoberst namens Randolph, übernahm die Anzeige von Hectors Bildschirm sofort aufs »Big Board« – einem aus sechs Großbildschirmen bestehenden Rechteck an der Stirnwand des Zentrums. Vorerst war die Anzeige noch wenig aussagekräftig: Drei der achtzehn Zeilen auf dem Bildschirm machten blinkend auf eine Gegenüberstellung der Meßwerte und der einprogrammierten Schwellenwerte aufmerksam.
»Alle Stationen, hier Randolph, ich bestätige eine Ereignismeldung und Klassifizierung durch FOREST GREEN und brauche in dreißig Sekunden eine Bereitschaftsmeldung aller Stationen.«
Die FOREST-GREEN-Sensoren hatten den Nachteil, eine Atomexplosion zwar präzise aufzeichnen, aber nicht genau lokalisieren zu können. Schon kurze Zeit später hatte Amy Hector die kryptischen Datenzeilen durch eine graphische Darstellung dieser Informationen ersetzt: eine Karte des Gebiets, das im Erfassungsbereich der drei plötzlich ausgefallenen NAVSTAR-Satelliten lag. An irgendeinem Punkt innerhalb dieser drei einander
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