Flug ins Feuer
vielleicht sonst keine Chance haben, die fremde Kultur zu verstehen. Ich möchte helfen, Lyndie. Sei nicht mehr böse auf mich.«
Geschlagen setzte Lyndie sich auf ihren Pilotensitz. »Bin ich nicht. Und jetzt geh durch den Zoll, verdammt noch mal. Wir treffen uns draußen.«
»Danke.« Nina trat vor und umarmte sie. »Du wirst diese spezielle Bindung nicht bedauern, das verspreche ich dir.«
Aber sie tat es bereits. Sie bedauerte alle »Bindungen«, die sie eingegangen war, jede einzelne, weil mit jeder einzelnen eindeutig die Möglichkeiten zunahmen, verletzt zu werden. Das machte ihr Angst.
Und wenn sie etwas wirklich hasste, dann war es das.
24
Zurück in San Diego, tat Griffin das, was er das gesamte vergangene Jahr über getan hatte. Er saß am Strand. Kletterte in die Berge. Schlief.
Aber dies reichte ihm nach zwei Tagen, auch wenn er nicht genau sagen konnte, was genau. Wenigstens nicht bis Brody ihn am dritten Tag über seine Schüssel Müsli hinweg, die er gerade mümmelte, beäugte. »Du kapierst es nicht, stimmt’s?« Sein Bruder zeigte mit einem Löffel, von dem Milch tropfte, auf ihn. »Du warst nie ein Einzelgänger.«
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich hast du die Schnauze voll vom Trübsalblasen, Brüten. Ich weiß nicht, ob du je aufhören wirst zu trauern, aber...«
»Wie könnte ich das?«
Brody seufzte. »Du wirst es nie vergessen, ich weiß, aber ernsthaft, Mann, es wird Zeit zu vergeben .«
»Wem?«
»Wem glaubst du denn? Dir selbst .«
Griffin schloss die Augen. Er hatte nie Probleme, sich an die Tragödie zu erinnern. Verdammt, er hatte ein Jahr lang jede Nacht davon geträumt.
Nicht jedoch die letzten beiden Wochen. Nein, diese Nächte waren mit anderen Erinnerungen angefüllt gewesen: von Mexiko und einer Stadt mit den mutigsten Menschen, die er je kennen gelernt hatte. Und einer Frau, die völlig anders war als alle, mit denen er bisher zusammen gewesen war; einer Frau, an die er offenbar ständig denken musste, auch wenn sie das nicht wollte. Erst heute Morgen hatte er nach dem Aufwachen den Arm nach ihr ausgestreckt, weil seine Träume so real gewesen waren.
»Es wird Zeit, dass du dir gestattest, weiterzuleben«, sagte Brody. »Weil das, was passiert ist, nicht dein Fehler war, und das weißt du.«
»Ja. Verstandesmäßig weiß ich das. Stimmt.«
Brody legte den Löffel hin und füllte sich die Schüssel erneut bis zum Rand. »Gut. Weil du jetzt, wo ich dich aufgestöbert habe, auch die Schnauze voll davon hast, allein zu frühstücken. Nebenbei bemerkt, du kaufst gutes Müsli.«
»Vielleicht habe ich die Schnauze voll davon, dass du meinen Kühlschrank leer futterst und auf meiner Couch schläfst …«
»Die übrigens verdammt unbequem ist. Könntest du nicht einen Futon kaufen? Ich würde bestimmt besser schlafen, wenn …«
»Fahr nach Hause, Brody.«
»Seltsam, das wollte ich dir auch vorschlagen.«
»Was?«
»Fahr nach Hause, Griffin. Du kannst nicht den Rest deines Lebens hier herumhängen, weil du Verluste erlitten hast. Es wird Zeit, weiterzuleben. Fahr nach Hause .«
Er starrte seinen Bruder an. »Aber ich weiß nicht, wo mein Zuhause ist.«
»Sicher weißt du das. Überall da, wo du glücklich bist.«
Aber das war das Problem. Er wusste wirklich nicht mehr, wo das war – und, schlimmer noch, er hatte das Gefühl, dass sein Glück weniger von dem Ort als von der Person abhing, die ihn glücklich machte.
Da er jeden, dem er je etwas bedeutet hatte, verlassen hatte – und da er zugelassen hatte, dass sie ihn verließ – fühlte er sich im Moment ziemlich heimatlos.
Herrgott, er war es so leid, Leute zu vermissen. Seine Freunde. Greg. Seine Eltern.
Lyndie. So schockierend es war, er vermisste sie so sehr, dass es ihn regelrecht schmerzte, und das nicht nur wegen der Abwechslung in seinem Sexleben. Ihm schmerzte die Brust, der Kopf. Wie hatte er das nur ein ganzes Jahr ausgehalten – so allein und ohne mit jemandem zu reden? Und warum brauchte er plötzlich... mehr?
Vielleicht weil er es vor jetzt zwei Wochen lang gehabt hatte. Er hatte ein Ziel, einen Job gehabt – und war umgeben gewesen von Menschen, die er mochte und die ihn ebenfalls mochten.
Er war wieder gebraucht worden, war erwünscht gewesen, und er war darüber aufgeblüht trotz der Schuldgefühle, die damit einhergingen.
»Hast du es schon herausgefunden, Griffin?«
Er stand auf. »Ich gehe joggen.«
Brody schüttelte den Kopf. »Du bist also immer noch der Ehrgeizling. Gut, nur
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