Flug ins Feuer
jedes Mal ab und schützte Erschöpfung vor.
Was sie tatsächlich an den Rand der Erschöpfung brachte, waren zwei Nervensägen – der Kater und Nina. Sie konnte weder den einen noch die andere einen ganzen Tag oder gar länger allein lassen.
Aber sie hätte es gern getan. Und heute Morgen, bereits der dritte Morgen, war es so weit. Sie sollte nach Baja fliegen, und sie würde es auch tun. Sie duschte, dann stand sie in ein Handtuch gewickelt vor ihrem Kleiderschrank und wünschte sich, dass sie irgendwann mal gewaschen hätte, seit sie wieder zurück war.
Nina hatte es ihr angeboten, aber Lyndie brauchte keine Aufseherin. Genauso wenig wie Nina. Sie hatte ihre Zeit damit verbracht, sich über die verschiedenen Colleges zu informieren, einen Job zu suchen und war insgesamt überraschend selbständig.
»Miau.«
Sie blickte auf das Kätzchen, das auf ihren nackten Füßen saß. »Was willst du?«
Lucifer ließ sich herunterplumpsen und auf den Rücken rollen, streckte ihr den Bauch entgegen.
»Ja, ja.« Aber seufzend bückte sie sich doch und streichelte das kleine Ding. »Und wie geht es unserer Ausgeburt der Hölle heute?«
»Miau.«
»Aha.« Sie kam hoch, ließ das Handtuch fallen und zog einen BH und einen Slip an. »Das Problem ist, dass du
immer hungrig bist. Und überhaupt, sag mir eins. Wie kommt es, dass eine alleinstehende Frau plötzlich zwei Extramäuler zu stopfen hat?«
»Ich habe dir gesagt«, sagte Nina, die das eine und einzige kleine Schlafzimmer von Lyndies Haus betrat und wie immer Spitze aussah in einem frischen, hellen mexikanischen Sommerkleid und schicken Sandalen. »Ich habe mein eigenes Geld. Etwas jedenfalls.« Sie stand vor dem Fenster, hinter ihr der Ozean, und hob einen Stapel Papiere hoch. »Und hier habe ich meine Collegeanmeldung. Schon bald bin ich qualifiziert, um als Lehrerin zu arbeiten. Vielen Dank auch.«
Auf dem Wäschestapel neben ihrem Bett fand Lyndie eine Hose, aber keine saubere Bluse. Sie drehte sich im Kreis, suchte den Raum ab. »Da muss doch noch... aha.« Sie ging auf einen Stapel Kleidung zu, der auf einem Stuhl am Fenster lag. »Ein Collegeabschluss dauert Jahre.«
»Ja, vielleicht, aber in der Zwischenzeit werde ich in einem Seniorenzentrum arbeiten...«
»Um was zu tun, zu putzen? Nein.«
Nina sah geradezu gebieterisch aus, als sie fragend eine Augenbraue hob. »Nein?«
»Das ist nicht gut genug, nicht für dich. Du hast in Mexiko geputzt, dann hättest du genauso gut dort bleiben können...« Sie brach ab, weil das Telefon auf dem Nachttisch klingelte. »Ich bin gleich fertig, Sam«, versprach sie hastig, statt sich zu melden. »Ich muss nur noch …«
»Hier ist Griffin.«
Als hätte ihre plötzlich ansteigende Pulsfrequenz ihr nicht bereits verraten, wer die Person mit der tiefen, heiseren, unsagbar vertrauten Stimme war. »Oh.«
»Wir müssen miteinander reden.«
Sie lachte gepresst. »Unterhaltungen, die mit diesen vier Wörtern eingeleitet werden, führen meiner Erfahrung nach nie zu etwas Gutem.«
»Nicht gut ist, wie wir auseinandergegangen sind.«
Sie sank auf ihr Bett, weil sie zitterte. Zitterte. » Was sollte daran nicht gut gewesen sein? Ich fand es prima«
»Weil du deinen Kopf gern in den Sand steckst. Aber das gilt nicht für mich.«
Sie widersprach heftig: »Ich stecke meinen Kopf nicht in den Sand.«
»Doch, tust du«, kam Nina ihr zu Hilfe und zuckte die Achseln, als Lyndie sie anfunkelte.
»Ich möchte dich sehen«, sagte Griffin in dem Befehlston, mit dem er bei dem Feuer ganz selbstverständlich seine Kommandos erteilt hatte, nachdem er die Kontrolle über sich wiedererlangt hatte, seine ganz natürlichen Anführerinstinkte wider eingesetzt waren und er alle und alles um sich herum im Griff hatte.
Bedauerlich, dass er sie jedoch nicht im Griff hatte. Nina fixierte sie mit ihren Blicken, die Hände in die Hüften gestemmt, und Lyndie schloss die Augen. »Jetzt ist ein schlechter Zeitpunkt, darüber zu reden.«
Nina seufzte. »Gib auf, Griffin«, rief sie laut.
Lyndie drehte ihr den Rücken zu. »Ein wirklich schlechter Zeitpunkt.«
Griffin schwieg einen Moment. Überlegte zweifellos, welche Optionen er hatte. Machte einen Plan. »Dann sag mir, wann«, sagte er schließlich.
Wann? Wenn sie ihn ansehen konnte, ohne gleich zu einem willenlosen Haufen Fleisch dahinzuschmelzen. Wenn sie sich glaubhaft eingeredet hatte, dass es nichts weiter als Lust war. »Später.«
»Lyndie …«
»Ich muss gehen,
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