Flug ins Gestern
Zuallererst müssen wir einen Weg finden, den Marsianern klarzumachen, daß wir in friedlicher Absicht kommen. Das wird eure Aufgabe sein, Ken und Clarisse. Sie werden versuchen müssen, nochmals mit jenem Telepathen Kontakt aufzunehmen, der uns beim ersten Anflug ›begrüßte‹. Spielen Sie die Rolle des armen, hilflosen Schiffbrüchigen, so überzeugend Sie können.«
»Das sollte kein großes Kunststück sein«, bemerkte Sonja. »Wir sind arme, hilflose Schiffbrüchige, wenn auch nicht im exakten Sinne des Wortes.«
»Hmm. Ganz so hilflos nun auch wieder nicht, solange wir das Rettungsboot haben. Aber das brauchen die Marsianer nicht zu wissen. Hat jemand weitere Vorschläge?« Mit einem Blick auf seine Frau fügte der Kommodore hinzu: »Brauchbare Vorschläge, meine ich.«
»Ich frage mich«, meldete sich Ruth Macoboy, »ob ich nicht auch versuchen sollte, mit dem NST-Sender Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Scharf gebündelte Richtstrahlen haben eine genügend große Reichweite.«
Grimes überlegte. Schließlich sagte er:
»Unser Problem ist die Sprachbarriere, Ruth. Ken und Clarisse arbeiten mit Gedanken, Symbolen, die allgemeinverständlich sind. Das ist ihr – und damit unser – Vorteil. Aber Sie haben trotzdem recht. Ein kurzes Signal, wenn auch nur eine Wiederholung eines marsianischen Morsesymbols, wird ihnen sagen, daß wir kommen und daß wir diesmal nicht aus heiterem Himmel über ihrer Welt erscheinen. Vielleicht können wir so ein wenig von ihrem Mißtrauen abbauen …«
»Vorausgesetzt, daß sie die richtige Frequenz eingeschaltet haben und uns überhaupt hören«, sagte Sonja.
»Das denke ich schon«, meinte Grimes. »Spätestens nach dem ersten telepathischen Kontakt.« In Gedanken fügte er hinzu: In der Hauptsache kommt es jetzt darauf an, während des langen Fluges so viele Leute wie möglich mit mehr oder weniger sinnvollen Beschäftigungen zu versorgen. Das lenkt sie von gefährlichen Gedanken ab. In dieser Hinsicht hatte Bligh Glück gehabt. Während seiner Bootsfahrt nach der Meuterei auf der Bounty hatte er sich damit beschäftigt, alles, was auf seinem Weg lag, zu kartographieren.
»Können wir nicht versuchen, daß Essen etwas abwechslungsreicher zu gestalten?« fragte Sonja.
Grimes wandte sich an Brenda Coles.
»Das ist Ihr Spezialgebiet, Brenda. Was schlägt die Bio-Chemikerin der Faraway Quest vor?«
»Nur die Assistentin des Bio-Chemikers«, korrigierte die Frau.
»Meinen Glückwunsch zur Beförderung«, sagte Grimes grinsend. »An Bord unserer Luxusjacht sind Sie die Chefin.«
Die kleine, etwas untersetzte Blondine lächelte.
»Ein furchtbarer Brei, oder? Aber ich werde zusehen, daß die nächste Mahlzeit besser wird. Wir haben eine Menge Aromastoffe an Bord – Hähnchen, Steak, Kaffee, Knoblauch, Schokolade, Vanille, und einige andere. Man müßte sie den Konzentraten nur beimischen, allerdings …«, sie zuckte die Schultern, »war ich nie eine gute Köchin …«
»Dein Gebiet, Sonja«, sagte Grimes. »Brenda wird die notwendigen Nährstoffe zusammenstellen, und du sorgst anschließend dafür, daß das Zeug sich essen läßt.«
»Hühnchen in Maulwurfsoße …«, murmelte Sonja nachdenklich.
»Und was soll das sein?« fragte Williams mißtrauisch.
»Ein mexikanisches Spezialgericht, soweit ich weiß. Hühnchen mit einer Spezialsoße, die in der Hauptsache aus geschmolzener, bitterer Schokolade besteht und …«
»Gah!« rief Williams.
»Und der zweite Hauptbestandteil der Soße ist getrocknetes Hühnerblut«, klärte Grimes den Commander auf. »Hmm. Die begeisterten Gesichter unserer Gäste sagen mir, daß es vielleicht doch keine so gute Idee war, Sonja. Überlegt euch lieber etwas anderes fürs Menü, immerhin besteht kaum die Gefahr, daß die Gäste auf den Gedanken kommen, lieber in einem anderen Restaurant zu speisen …«
»Aber wir könnten auf den Gedanken kommen, den Geschäftsführer umzubringen!« protestierte Williams.
Grimes hoffte, daß er von diesem Schicksal verschont blieb. Die Flüchtlinge hatten ihre Arbeit, die sie während der sieben langen Wochen des Fluges ablenken würde. Über Williams machte der Kommodore sich keine Sorgen – er würde immer etwas zu tun finden. Und solange Carnaby das Boot navigieren konnte, war er glücklich. Außerdem gab es Spiele an Bord – Schach, Scrabble und viele andere.
Es würde keine Luxuskreuzfahrt werden – aber es hätte für die acht Raumfahrer erheblich schlimmer kommen
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