Flugrausch
soll.«
»Sie sind doch sein Vater, oder nicht?«
»Er ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. Alt genug, um hinter sich sauber zu machen.«
»Er ist kaum neunzehn.«
»Na und? Als ich achtzehn war, hab ich –«
»Mr. Lister, holen Sie bitte Ihren Sohn ab.«
»Kann er den Rausch denn nicht bei Ihnen ausschlafen? Damit er morgen früh selber heimfahren kann?«
»Ich führe kein Hotel.«
»Herr im Himmel, im Augenblick passt es mir nicht.«
Ellen wurde eisig. Sie spielte nicht gern die Cop-Karte aus, aber manchmal war das nötig, und normalerweise erzielte sie damit Ergebnisse.
»Ich weiß, was wir tun können«, sagte sie. »Ich rufe auf der Polizeiwache in Waterloo an und sage zum Dienst habenden Officer: ›Hier spricht Detective Sergeant Destry. Schicken Sie mir einen Wagen nach Hause, ich habe hier einen Übernachtungsgast für die Zelle auf der Wache.‹«
In die darauf folgende Stille hinein fügte sie an: »Wie wäre das, Mr. Lister? Sie können am Morgen zur Wache kommen und Ihren Sohn holen. Auf diese Weise werden damit nur ein paar Streifenpolizisten behelligt, die sowieso Dienst haben.«
Carl Lister fauchte: »Geben Sie mir Ihre Adresse. Ich fahre sofort los.«
Ellen lächelte, aber es lag keinerlei Wärme darin.
6
Ostersonntagnachmittag. Mostyn Pearce fütterte sein Frettchen Blur, dann machte er seine Runde, wie jeden Tag, eine Stunde lang, zählte dabei Autos, Tore und Schlaglöcher. Auf seiner Runde kam er jedes Mal über die Five Furlong Road. Ian Munros Felder lagen links bis hinunter zum Penzance Beach, und etwas höher zur Rechten befand sich Upper Penzance, eine Enklave von zwanzig, dreißig Häusern auf hektargroßen Grundstücken, jedes einzelne zum Preis von vierhunderttausend bis siebenhundertfünfzigtausend Dollar. Herangekarrte Palmen und andere exotische Gewächse, ungeteerte Straßen, alles vermittelte den Eindruck, dass man den Pöbel ausschließen wolle. Mostyn Pearce, mit anderen Worten, da unten in seinem schäbigen neuen Siedlungsbungalow am Fuße des Hügels.
Was Pearce so aufregte – und was er auch der Redakteurin des Progress geschrieben hatte –, war der Anstrich von Privilegiertheit, so als gebe es eigens Gesetze für die Bewohner von Upper Penzance und andere Gesetze für Menschen wie ihn. Das war so was von dumm. Sie waren gegen Wasserleitungen und beharrten darauf, dass alle Haushalte Wasser aus Tanks benutzten. Sie wollten keine geteerten Straßen, nur laubbedeckte Schotterwege. Sie bauten sogar die Straßenschilder ab, um Tagesausflügler fern zu halten.
Pearce hatte in einem seiner Briefe an den Progress darauf hingewiesen: »Was, wenn ein Haus oder das Buschland in Upper Penzance brennt? Die Zugangsstraßen sind mit Bäumen verstopft, die Wege sind voller Schlaglöcher, es steht sehr wenig Wasser zur Verfügung, vom Wasserdruck ganz zu schweigen.«
Die Redakteurin hatte den Brief abgedruckt. Sie brachte nicht alles, was er einsandte, wie zum Beispiel seine Befürwortung des Internierungslagers und den Brief über die Notwendigkeit, Kolonnenspringer aus dem Verkehr zu ziehen, aber angesichts der Tatsache, dass er ihr mehrere Briefe in der Woche schrieb und die Zeitung nur einmal wöchentlich erschien, gab es immer etwas, das sie brauchen konnte. Vor etwa einem halben Jahr hatte sie begonnen, ihn den Einmischer zu nennen. Erst war er beleidigt – es klang so abfällig –, aber nun mochte er den Spitznamen. Außerdem gab es nach jeder Kolumne mit dem Einmischer eine Menge positiver Post für die Leserbriefspalte.
Wenn auch keinen Muckser von den Bewohnern von Upper Penzance nach seinem neuesten Buschfeuerbrief.
Er fand immer etwas, worüber er schreiben konnte. Wie letzte Woche Donnerstag, als er an einem der Häuser an der Five Furlong Road vorbeigekommen war und gesehen hatte, dass sie sich einen amerikanischen Briefkasten ans Tor gemacht hatten, so einen mit einer kleinen roten Metallflagge an der Seite. Sofort hatte ihn die Knallwut gepackt. Am liebsten hätte er sich den Kerl geschnappt und ihm ein paar Ohrfeigen verpasst und ihn gefragt, wozu er einen amerikanischen Briefkasten aufstellte, wo sie doch gar nicht in Amerika waren. Und was um alles in der Welt soll das kleine Fähnchen denn anzeigen? Soll der Briefträger es vielleicht jedes Mal hochklappen, wenn er dir Post in den Kasten steckt? Wenn das hier Amerika ist, dann müsstest du es selbst hochklappen, um anzuzeigen, dass der Briefträger Post abholen kann – aber das hier ist
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