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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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besseren Zugang zur Brustwarze zu ermöglichen, und redete weiter, ohne groß Notiz von dem Kind zu nehmen.
    Ellen ging über die Straße. Die Bäckerei hatte geöffnet. Neben einem Mülleimer stand eine Bank aus Holz und Eisen, auf der ein Schwarm von Teenagermädchen hockte, die Fritten aßen. In diesem Augenblick kroch ein tiefer gelegter Valiant voller Halbwüchsiger vorbei, und die Headbanger-Musik dröhnte Ellen in den Ohren.
    Der Wagen hielt an. Die Jungs drückten ein Pornoheft gegen die hintere Seitenscheibe, eine gynäkologische Nahaufnahme.
    Die Mädchen kicherten, verbargen ihr Grinsen hinter Fäusten voller Fritten und riefen den Jungs etwas zu.
    Kein hübscher Anblick. Die Mädchen würden sich mit siebzehn von solchen hoffnungslosen Fällen wie Brad Pike schwängern lassen und im Elend enden wie Lisa Tully oder wie schlampige Kühe auf der Hauptstraße herumhocken.
    Ellen seufzte. Sie war ungerecht. Was war nur mit ihr los? Was war mit der Halbinsel los? Vielleicht bedrückte sie die Erinnerung an Lisa Tullys vermisste Tochter. Manche Fälle nahmen einen stärker mit als andere. Wenn es um ein kleines Kind ging, höhlte das einen ganz schön aus. Man konnte es nicht vergessen, ganz unerwartet fiel es einem wieder ein – im Auto, beim Essen, wenn das eigene Kind dabei war, vor dem Fernseher. Wird ein Kind vergewaltigt oder umgebracht, dann wird alles auf den Kopf gestellt. All das Gute ist dahin. Man hört schon fast auf, überhaupt noch an das Gute zu glauben.
     
    Scobie Sutton saß an diesem Tag mit Beth und Roslyn zu Hause und kämmte Nissen aus Roslyns Haaren. Der Fernseher lief, um seine Tochter ein wenig von der Prozedur abzulenken.
    Am besten nahm man Conditioner, trug ihn dick auf wie Wagenschmiere, fuhr dann mit einem besonderen Nissenkamm durchs Haar und wischte den Schmier an Küchenpapier ab. Das musste man mehrmals machen. Man wollte ja schließlich nicht nur die Läuse selbst erwischen, sondern auch die Eier, die an den Haarwurzeln klebten, vor allem hinter den Ohren oder im Nacken.
    Roslyn hatte sich schon vier Mal Läuse geholt. Das bedeutete, dass Scobie und seine Frau jedes Mal alles waschen und behandeln mussten – Handtücher, Bettzeug, Kleidung, ihre eigenen Haare. Sie hatten genug davon. Sie taten das Richtige, sie behandelten ihr Kind, schickten es nicht in die Schule, wenn sie irgendwelche Zweifel hatten, und dennoch steckte sie sich an. Roslyn steckte sich an, weil die anderen Eltern einfach nicht glauben konnten, dass ihre Lieblinge Nissen haben könnten, nicht glauben konnten, dass saubere, anständige Familien wie sie selbst Nissen haben könnten. Dreckige Menschen hatten Läuse, ja, aber sie doch nicht. Da hab ich Neuigkeiten für euch, dachte Scobie und wischte den Kamm an einem durchgeweichten Küchenpapier ab.
    Bei Mädchen war es noch schlimmer. Sie hatten lange Haare, beugten sich gern über ihre kleinen Schultische in den Klassenzimmern und ließen die Köpfe freundschaftlich aneinander ruhen, und die Läuse sprangen lustig von einem kleinen Kopf auf den nächsten.
    Scobie fragte sich, woher sich seine Tochter immer wieder Läuse holte. Von irgendjemandem aus einer schlampigen, schwierigen oder dummen Familie. Die junge Pearce oder das jüngste Kind der Munros. Roslyn spielte in der Schule mit ihnen, teilte sich einen Tisch mit ihnen, lud sie nach der Schule ein. Merkwürdige, bedrängt wirkende Kinder. Das Munro-Mädchen, Tochter eines grobschlächtigen Kerls, wohnte auf einer Farm. Vater Pearce wiederum hielt ein Frettchen. Irgendwie hatte Sutton den Eindruck, dass in beiden Fällen das familiäre Umfeld auf Vernachlässigung und Kopfläuse hindeutete.
    Er machte eine kurze Pause und schaute sich einen Zeichentrickfilm im Fernsehen an. Wieso war das britische Kinderfernsehen geradezu besessen von sprechenden Fahrzeugen und erwachsenen Figuren wie Bob der Baumeister, Postman Pat und Feuerwehrmann Sam? Und was hatte dieser langweilig korrekte Mittelschichtston, der nach einer netten Tasse Tee und Socken in Sandalen klang, mit der Kindheit zu tun?
    »Dad? Daddy?«
    »Hmhm?«
    »Daddy?«
    »Hmhm?«
    »Daddy?«
    »Ich sagte doch schon Ja.«
    »Nein, hast du nicht.«
    Scobie atmete schwer aus. »Süße, was möchtest du mir sagen?«
    »Für wen bist du?«
    Scobie verstand die Frage nicht. »Was?«
    »Jessie Pearce ist für die Bombers«, antwortete seine Tochter. Ihre Stimme klang vor Besorgnis höher. »Ich weiß nicht, für wen ich sein soll. Für wen bist du

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