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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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wollte nicht aus dem Cockpit der Dragon klettern, also nickte er mit dem Kopf in Richtung von Kittys Werkbank am anderen Ende des Hangars. »Legen Sie sie dort hin«, sagte er und machte sich wieder an die Arbeit.
    Als er das nächste Mal aufblickte, war er wieder allein; die Visitenkarte des Mannes war auf den ölverschmierten Boden gefallen. Challis seufzte, kletterte hinunter und hob die Karte auf. Kitty steckte immer ihre Rechnungen, Visitenkarten, Broschüren und Fotografien an die Pinnwand über ihrer Werkbank. Challis suchte nach einer freien Reißzwecke, doch sein Blick fiel auf eine Anzahl von Luftaufnahmen, die Kitty für einen ihrer Kunden gemacht hatte. Sie waren wellig, verstaubt, die Ausschnitte schlecht gewählt. Wahrscheinlich hatte der Kunde sie abgelehnt.
    Bei einem Foto jedoch schaute Challis etwas genauer hin. Darauf war ein Flickenteppich aus Kiefernschonungen, offenem Farmland, Damm und Weinanbau zu sehen, zusammengehalten von Straßen und Wegen. Eigentlich eine typische Landschaftsaufnahme der Peninsula.
    Abgesehen von den Cannabispflanzen, die sich satt dunkelgrün unter einem graubraunen Blätterdach von Eukalyptusbäumen abzeichneten.

10
    Dienstag. Für die meisten Menschen bedeutete das wieder Schule und Arbeit. Die morgendliche Fahrt zur Schule erinnerte Scobie Sutton wieder daran, dass er noch etwas anderes war als CIB-Detective, und das bot ihm Halt. Er war nur einer unter anderen Vätern, ein Bürger des Bezirks und vor allem Roslyns Papa. Auf der Fahrt sang er mit ihr zu einer Kassette der Kiddieband Hi-5, begleitete sie dann zum Klassenzimmer I (I wie Inger, Roslyns Lehrerin), schwatzte mit den anderen Eltern, vergewisserte sich, dass Roslyn den Haken für ihren blauen, viel zu großen Rucksack fand, drückte sie, gab ihr einen Kuss und sagte den anderen Eltern herzlich Auf Wiedersehen, bevor er wieder zu seinem Wagen zurückging und nach Waterloo fuhr.
    Die anderen Eltern. Meistens Mütter. Noch immer beäugten sie ihn argwöhnisch. Scobie zwang sie dazu, ihn wahrzunehmen. Er merkte sich ihre Namen, vergewisserte sich, dass sie seinen wussten (aber nicht, dass er Bulle war), schaute ihnen in die Augen, verwickelte sie in Gespräche. Er konnte es in ihren Gesichtern lesen. Sind Sie allein erziehender Vater? Wenn ja, warum? Warum sind Sie nicht bei der Arbeit? Sind Sie arbeitslos? Ein Vater allein mit einer Tochter. Ist es ungefährlich, meine Tochter in Ihrem Haus nach der Schule mit Ihrer Tochter spielen zu lassen?
    Eines Morgens war er in die Schule gekommen, und eine Schulfreundin von Roslyn hatte gesagt: »Schauen Sie mal, ein Koala.« Also waren sie gemeinsam über den rot gepflasterten Weg zwischen den Bauminseln, Sträuchern, Eukalyptusbäumen und Klassenzimmern gegangen, bis zu einem einzeln stehenden Eukalyptusbaum neben dem Aufenthaltsraum der Tageskinder. Am Fuß des Baumes lag ein rosafarbenes Haargummi, auf einem Fichtenzaun in der Nähe hing eine taufeuchte Windjacke in den Schulfarben.
    Scobie hatte nach oben geschaut, und tatsächlich, auf halber Höhe hockte ein Koala im Baum. Und natürlich tauchte bald die Mutter des anderen Kindes auf und beäugte ihn misstrauisch, so als ob er das Kind fortlocken wolle.
    Scobie wollte sie schon anblaffen: Gibt es ein Problem?, aber das kam ihm doch zu kleingeistig und gemein vor. Die Mutter – jede Mutter – hatte ja Recht mit ihrer Sorge. Dennoch hatte er es nicht sonderlich eilig damit, den anderen Eltern zu sagen, dass er verheiratet war und dass sich seine Frau gern mit ihm den Schulweg geteilt hätte, wenn sie nicht einen Job in der Stadt hätte, um halb acht aus dem Haus müsste und erst gegen halb sechs abends nach Hause käme.
    Normalerweise gab es keine anderen Väter, die den Schulweg übernahmen, doch an diesem Morgen war noch einer da, Mostyn Pearce, ein dürrer, schmalgesichtiger, aufgewühlt wirkender Mann in Jeans, Sportschuhen und einer Footballjacke der Collingwood Magpies. Jessie, seine Tochter, blass, hochgeschossen, unterernährt wirkend, stand da, klammerte sich an das Bein ihres Vaters und sah weg, als Scobie ihr in die Augen schaute. Bei jedem anderen Kind hätte das wie eine attraktiv schüchterne Geste gewirkt, doch bei Jessie Pearce wirkte es völlig unattraktiv.
    An das andere Bein des Mannes drückte sich ein Frettchen an der Leine. Kind und Frettchen waren perfekte Abziehbilder des Mannes: dürr, nervös, verschlagen, schnell, ein Bündel von blank liegenden Nerven.
    Die anderen Kinder fühlten sich

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