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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Ich hab nur laut gedacht, mehr nicht.«
    Die Frau ging wieder. Das Fax war vom Home Office in London. Der HOLMES-Computer hatte keinerlei Verbindung zwischen der Ankerleiche von Flinders und irgendeiner Person feststellen können, die den Behörden in Großbritannien bekannt war.
    Die Notiz war von Tessa Kane. Sie schrieb für die nächste Ausgabe der Zeitung über die Morde und wollte ein Interview mit ihm. Sie könne zu ihm kommen oder er zu ihr, oder sie könnten einen neutralen Ort wählen, wie immer es ihm am liebsten wäre.
    Challis rief sie an. »Komm hierher.«
    »Hier«, das war ein kleines Besprechungszimmer neben der Eingangstheke des Diensthabenden. Durch das doppelverglaste Fenster sah man einen Eukalyptusbaum, dessen Rinde sich schälte; die beiden saßen an einem massiven Metalltisch, tranken Kaffee und ließen den angeschlagenen Teller mit alten Keksen unberührt.
    »Schieß los«, sagte Challis.
    Tessa schlug mit ihren kleinen Fäusten auf den Tisch und sagte: »Hal.«
    »Was denn?«, entgegnete er – obwohl er es schon wusste. Sie hatte die Katastrophe mit dem Osterspaziergang abgehakt, wollte, dass wieder Herzlichkeit zwischen ihnen herrschte, und nun tat er so kurz angebunden und geschäftsmäßig.
    »Komm runter«, sagte sie.
    Er sah sie an, wollte nicht unhöflich sein, aber er stellte fest, dass die alte Tessa Kane nicht mehr da war. Es hatte mal Zeiten gegeben – Jahre her, wie es schien –, als sie einfach ungebeten in seinen Gedanken erschien und er erregt war und sie unbedingt wollte. Er stellte sie sich dann nackt vor und ließ ihr Liebesspiel vor seinem geistigen Auge ablaufen. Nun saß sie ihm gegenüber wie eine Fremde, die er von irgendwoher kannte, und er wollte sie nicht.
    Warum nicht? Weil er sie nicht haben konnte, solange seine durchgeknallte Frau sich immer wieder zwischen sie drängte? Weil ihm nun Kitty Casement durch den Kopf ging?
    »Tut mir Leid«, entschuldigte er sich, legte Herzlichkeit in Stimme und Gesichtsausdruck und verspürte echte Zuneigung zu Tessa. Er sah Dankbarkeit und Verlangen aufblitzen. War es so einfach? War er launisch? Bedeuteten seine Zuneigungen und Wünsche etwas, oder hatte das, was seine Frau ihm angetan hatte, ihn so verkorkst?
    Er streckte die Hand aus und legte sie auf ihre. Tessas Fingerknöchel zuckten, als hüte Challis ein warmes kleines Geschöpf.
    »Ich habe dich seit Tagen nicht mehr gesehen«, sagte sie. Das war ihre Art, ihm mitzuteilen, dass er ihr gegenüber nicht hätte kühl und distanziert sein müssen, dass sie eine Weile sauer auf ihn gewesen war, diese Missstimmung aber nun wieder verflogen sei, wie so etwas bei ihr immer verflog, und dass er das doch von ihr schon kennen müsse oder zumindest hätte annehmen können.
    Challis nickte, drückte fest ihre Finger und begehrte sie.
    »Anstand wahren«, sagte Tessa, die die Botschaft in seinen Augen las, und entzog ihm die Hand.
    Dann ihre Fragen: Wer hatte in beiden Fällen die Leichen gefunden? Gab es Ähnlichkeiten bei den Morden? Unterschiede? Hatte die Polizei einen Verdächtigen? Hatten die Morde irgendetwas mit der Suche nach Ian Munro zu tun? Wie lief die Suche? Ging man davon aus, dass Munro sich immer noch in der Gegend von Westernport versteckte? Für wie glaubwürdig hielt Challis die Angaben, Munro sei schon in Geelong, Sydney und an der Gold Coast gesichtet worden?
    Häufig konnte Challis nur leise lächeln, den Kopf schütteln und sagen: »Du weißt, dass ich diese Art von Informationen nicht weitergeben kann.«
    Und je länger sie ihn befragte, umso mehr hörte sie auf, Tessa Kane, seine zeitweilige Bettgefährtin, zu sein, und seine Gedanken schweiften erneut ab.

27
    Immer dasselbe beim Klinkenputzen. In der einen Hälfte war niemand zu Hause und man musste noch mal hin, bei der anderen Hälfte kamen die Bewohner an die Tür und zeigten Anzeichen von Argwohn, Schuld, Angst – ein Abbild dessen, was ihnen in diesem Augenblick gerade durch den Kopf ging. Nirgends Unschuld oder Herzlichkeit.
    Natürlich hatte niemand etwas gesehen oder gewusst. Doch sobald ihnen klar wurde, dass der Besuch an der Tür nicht ihnen galt, waren sie alle hilfsbereit und quollen schier über vor nutzlosen Informationen. Dass sie die Polizei nicht mochten, konnte man an ihren Gesichtern ablesen. Ein Ausdruck, der besagte, dass das ja nun das Problem der Polizei sei und man sich schleichen solle.
    Mit diesen Gedanken im Hinterkopf klopfte Pam Murphy an jenem Donnerstag in den

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