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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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noch das andere.
    »Am schlimmsten war es heute Morgen«, sagte er und berichtete vom Schulweg. Aileen Munro und ihre Kinder waren nicht dort gewesen. Er bezweifelte, dass er sie jemals wiedersehen würde. Die Schule war wie ein kleines Dorf, in dem jeder mit dem Finger auf andere zeigte. Und das Kind der Pearces war natürlich auch nicht da gewesen. Sergeant Kellock hatte die Großeltern aufgetrieben, die das Kind abgeholt hatten. Auch dieses Kind würde er wohl in der Schule nie wiedersehen.
    »Stell dir nur mal ihren Schmerz vor.«
    Seine Frau schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. So etwas konnte sie sich nicht vorstellen. Er schon, er stellte sich anderer Leute Schmerz vor, und das war der Grund, warum er niemals die Karriereleiter erklimmen würde.
    Scobie hatte damit gerechnet, dass die Anforderungen seiner Arbeit ihn verändern würden, denn so war es bei jedem Polizisten, den er kannte. Aber bei ihm war das anders. Er schluckte. Er versuchte die Tränen zu unterdrücken, versuchte nicht daran zu denken, wie Roslyn ganz allein in der Welt dastünde, aber wie konnte denn ein anständiger Mensch solche Bilder abschütteln, wenn sie sich erst mal im Kopf festgesetzt hatten?

28
    Donnerstagnacht wurde Munros verbeulter Toyota auf dem Parkplatz eines Pubs gefunden, von dem ein Ford-F100-Pick-up gestohlen worden war, also machten sich am Freitagmorgen Challis und Sutton auf den Weg zur Farm, um Aileen Munro zu befragen. Challis hatte Sutton ein wenig über, aber Sutton kannte Aileen Munro; seine Anwesenheit dort würde die mit Sicherheit angespannte Situation ein wenig entschärfen.
    Aileen führte sie ins Wohnzimmer, dessen Teppich und Möbelstoffe in einem bedrückenden Blümchenmuster gehalten waren, das sich nur noch in abgelegenen Farmhäusern finden ließ. Ein kleiner Streifen schmieriges Sonnenlicht erhellte eine Ecke des Bodens, ansonsten war es dämmrig. Hier und da fanden sich unzusammenhängende Einzelheiten: In einer Ecke stand die Unterhaltungselektronik, bestehend aus einem Fernseher mit Flachbildschirm, einem Videorekorder und einer Soundanlage; unter einem Satz von Tischen lugte der Torso einer Barbiepuppe hervor. Als sich Challis auf das Sofa sinken ließ, knackte hinter dem Polster eine CD-Hülle. Er fischte sie hervor. Titel und Interpretin, Strawberry Kisses von Nikki Webster, sagten ihm nichts, verrieten ihm aber, dass die Munro-Kinder sich offenbar um ein Leben jenseits dieses leblosen Hauses bemühten.
    Aileen Munro ließ sich schwer in einen Lehnsessel fallen, der Challis gegenüberstand. Scobie Sutton setzte sich neben ihn. Challis gefiel diese Sitzordnung nicht, die das Gefühl von zwei gegen eine noch verstärkte, doch nun war es zu spät, daran etwas zu ändern. Er entspannte sich, bemühte sich, nicht wie ein Eindringling zu wirken, und ließ Sutton den Vortritt.
    »Aileen, lassen Sie mich als Erstes nur sagen, dass es mir wirklich Leid tut, dass es so weit gekommen ist.«
    Aileen Munro ließ den Blick von Sutton zu Challis und zurück wandern. Sie öffnete und schloss den Mund, als wolle sie ihn anfeuchten. »Danke«, murmelte sie.
    »Es muss hart für Sie sein.«
    »Ja.« Ein kaum hörbares Flüstern.
    »Vergessen Sie nicht, wenn ich irgendwas für Sie tun kann …«
    Diesmal lag eine Spur von Hysterie in ihrer Stimme. »Sie könnten die Reporter verscheuchen, die mir auf die Pelle rücken!«
    John Tankard hatte vor dem Haupttor Posten gestanden, als Challis und Sutton eintrafen. Er war dort abgestellt worden, um die Medien vom Haus fern zu halten, und machte ein sauertöpfisches Gesicht deswegen. »Die werden nach einer Weile das Interesse schon wieder verlieren«, versicherte ihr Sutton.
    Tessa Kane hatte nicht zu den Medienleuten gehört, jedenfalls hatte Challis sie nicht gesehen. Sie hatte ihn bisher noch nicht um weitere Informationen gebeten, würde dies aber sicher noch tun. In der Zwischenzeit hatte sie bestimmt ein Foto von Munro, eins, das vor zwei Jahren aufgenommen worden war, als man ihn wegen tätlichen Angriffs verhaftet hatte, und nun von der Presseabteilung der Polizei verbreitet wurde.
    »Allerdings müssen wir Ihnen ein paar Fragen stellen, fürchte ich«, sagte Sutton freundlich.
    Ein kurzes Nicken.
    »Erstens, hatten Sie Gelegenheit, mal darüber nachzudenken, wo Ihr Mann sich wohl aufhalten könnte?«
    »Nein.«
    »Irgendwelche Gebäude oder Buschland auf der Halbinsel, das er gut kannte, mal besessen hat oder gern aufsuchte?«
    Ihre Stimme klang

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