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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Polizei eine Falschaussage zu machen, um ihr zu helfen oder sie zu schützen«, formulierte Ellen gewichtig, »würden Sie das tun?« Und wenn du noch einmal »Was meinen Sie damit?« zu mir sagst, dann kipp ich dich vom Stuhl.
    »Was ist denn das für eine Frage?«, wollte Lisa wissen. »Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe. Ich bin hier das Opfer.«
    Das war Lisa Tullys feststehende Antwort in den letzten zehn oder elf Monaten gewesen: Ich bin hier das Opfer. Stimmt schon, dachte Ellen, Opfer ist sie. Ihre zweijährige Tochter wurde vermisst, und wahrscheinlich war das Kind tot. Aber das war letztes Jahr gewesen und hatte nichts mit Dwayne Venns nächtlichen Unternehmungen an den Knutschplätzen der Halbinsel zu tun.
    »Lisa, versuchen Sie Ihre Schwester zu schützen? Vielleicht hat ihr Dwayne befohlen, ihm für letzte Nacht ein Alibi zu verschaffen, und dann hat sie Sie gebeten, das Alibi zu bestätigen. Das wäre eigentlich keine Lüge. Ihnen liegt doch nur Ihre Schwester am Herzen.«
    Lisa Tully runzelte argwöhnisch die Stirn und starrte über das schrundige Laminat auf dem Tisch, so als habe Ellen einen gerissenen Plan entwickelt, der von ihr ein Maß an Konzentration verlangte, das sie nur schwer aufbringen konnte.
    »Weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Dwayne war also die ganze Nacht bei Ihnen. Er ist nicht mal zum Zigarettenkaufen oder für ein Sechserpack Bier hinausgegangen? Hat sich nicht für ’ne Stunde mit seinen Kumpeln im Pub getroffen?«
    »Er ist zu Hause geblieben, hab ich Ihnen doch schon gesagt.«
    »Und was haben Sie alle gemacht?«
    Schulterzucken. »Ham uns ’n paar Hamburger zum Essen geholt und dann ’ne Weile in die Glotze gestiert.«
    »Sind Sie irgendwann vor dem Fernseher eingeschlafen.«
    »Nö.«
    »Und was lief?«
    »Football.«
    »Und für wen sind Sie?«
    »Collingwood.«
    »Ich auch«, sagte Ellen herzlich. »Und welches Spiel haben sie gestern gezeigt?«
    Schulterzucken. »Weiß nich. Ich war in der Küche.«
    »In der Küche? Und was haben Sie da gemacht?«
    »Brad war vorbeigekommen.«
    »Brad Pike?«
    Streitsüchtig. »Na und? Er darf das.«
    »Also sind Sie wieder Freunde?«
    Schulterzucken.
    »Und Sie glauben nicht mehr, dass er für das Verschwinden Ihrer Tochter verantwortlich ist?«
    Schulterzucken.
    »Sie waren also in der Küche mit Bradley Pike. Wo waren Donna und Dwayne?«
    »Hab ich Ihnen doch schon gesagt. Im Wohnzimmer. Ham in die Glotze geguckt.«
    »Haben Brad und Sie denn nicht mitgeschaut?«
    Schulterzucken. »Ach, wissen Sie, Brad und Dwayne …«
    »Die kommen nicht gut miteinander aus?«
    »Weiß nich.«
    »Wie lange waren Sie in der Küche mit Brad?«
    »’ne Weile. Weiß nich.«
    »Und was haben Sie da gemacht?«
    Lisa rutschte auf ihrem Stuhl herum; das Neonlicht enthüllte gnadenlos ihr kränkliches Gesicht, das zottelige, blondierte Haar und den gepiercten Hals – das Piercing war noch frisch, entzündet, nässend. Ellen nahm an, dass Brad Pike aus alter Freundschaft ein paar Joints mitgebracht hatte, die sie sich geteilt hatten.
    »Nur unterhalten«, sagte Lisa schließlich.
    »Worüber?«
    »Alles Mögliche.«
    Ellen dachte, warum nicht das Verschwinden von Jasmine Tully im letzten Jahr gleich mit untersuchen, nicht nur Dwayne Venns Alibi von letzter Nacht? »Mögen Sie Brad?«, fragte sie.
    Schulterzucken.
    »Ist er vor oder nach Dwayne wieder gegangen?«
    »Davor.«
    »Also ist Dwayne irgendwann gegangen?«
    »Nein, ich meine, Dwayne ist die ganze Zeit da gewesen. Brad war nur ’ne Weile da.«
    »Wann ist Dwayne gegangen?«
    Lisa Tully verkrampfte und sagte: »Ich werd sowieso nich sagen, dass er letzte Nacht weg war, also probiern Sies erst gar nich.«
    »Wann ist Brad gegangen?«
    »Weiß nich. Neun? Zehn? Nee, später.«
    Der Architekt und seine Sekretärin waren gegen elf Uhr nachts überfallen worden, also würde Brad Pike nicht sagen können, ob Venn weggegangen war oder nicht. Ellen würde ihn trotzdem befragen, aber sie wusste, dass sie in eine Sackgasse geraten war.
    Mit Donna Tully erging es ihr nicht besser. Sie war gerissener als ihre jüngere Schwester, und sie klapperte mit langen roten Fingernägeln auf dem Tisch, während sie alles leugnete und Ellens Fragen aussaß.
    Die Polizei konnte Venn also wegen des österlichen Überfalls drankriegen, aber nicht wegen früherer Straftaten und auch nicht wegen letzter Nacht. Auch der Tathergang war anders, aber Ellen wusste in ihrem Innersten, dass es Venn gewesen war. Sie hätte auch ganz

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