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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Sie wusste nicht, wie einsichtig er war. Vielleicht nahm er ihr den Subaru weg, auch wenn sie bezweifelte, dass er dazu das Recht hatte. Aber auch so konnte er ihr das Leben schwer machen, ein Wörtchen zu Senior Sergeant Kellock, zum Beispiel – sie konnten gut und gerne im selben Rotary Club sein –, oder ein anonymer Anruf bei der Dienstaufsicht.
    Am Straßeneingang zu Listers Gebäude warf sie einen Blick hinüber zur Bank, vor der Tank auf Munro gestoßen war. Wie hätte sie sich dabei verhalten? So wie sie sich jetzt fühlte, mit diesem nervösen Kribbeln im Bauch, hätte sie sich wohl in die Hose gemacht.
    Sie drückte die Tür mit der Aufschrift »Lister Financial Services« auf und ging die Treppe hoch. Dieselbe Sekretärin saß da, eine Blondine mit aufgedonnertem Haar und riesigen roten Fingernägelkrallen. Keine Ahnung, wie sie eine Tastatur oder das Telefon bediente.
    »Ja bitte?«, fragte die Sekretärin und starrte Pam an, so als habe sie sie noch nie zuvor gesehen.
    »Mr. Lister erwartet mich.«
    »Und Sie sind …?«
    »Der Weihnachtsmann«, fauchte Pam und stapfte an ihr vorbei in Listers Büro. Sie rechnete schon mit Protest, doch die Frau blieb stumm.
    Listers Büro ging auf die Straße hinaus. Lister selbst saß mit dem Rücken zum Fenster; die Sonne, die streifig zwischen den Lamellen der Jalousie hereinfiel, umstrahlte ihn an Kopf und Schultern und blendete Pam, sodass sie ihn nicht gut erkennen konnte. Sofort verlor sie ein wenig von ihrer Entschlossenheit.
    Lister erhob sich nicht, sondern wedelte nur nonchalant mit der Hand: »Setzen Sie sich, Pam.«
    Der einzige andere Platz war direkt vor dem Schreibtisch. Pam beschirmte die Augen mit der Hand und beobachtete ihn in der Hoffnung, er würde den Wink verstehen.
    »Also, Ihre Ratenzahlung«, sagte Lister.
    »Ich hatte eine Menge um die Ohren«, sagte Pam. »Die Sache mit Munro, die Mor …«
    Er unterbrach sie mit einer Handbewegung. »Tut mir Leid, meine Liebe, aber das tut nichts zur Sache. Sie sind eine Verpflichtung eingegangen, und …«
    »Aber ich bin doch sicher nicht die Erste, die mit den Ratenzahlungen hinterherhinkt?«
    Seit sie den Kredit aufgenommen hatte, hatte sie eine Menge über Lister gehört. Dass er sich auf diejenigen stürzte, die schwer zu kämpfen hatten, dass er hoffnungslosen Fällen Geld lieh und ihnen dann Auto und Haus pfändete; dass er Schecks nach Gutdünken änderte, aber saftige Prozente verlangte. Kein Kredithai, keine Gerüchte, dass er mit dem Baseballschläger Schulden eintrieb, nichts, weswegen die Polizei hätte einschreiten müssen, und dennoch machte Lister den unverkennbaren Eindruck eines Aasgeiers.
    »Nein, Pam, Sie sind nicht die Erste, die eine Zahlungsfrist versäumt. Und Sie werden wohl auch nicht die Letzte sein. Allerdings muss ich …«
    »Ich bekomme am Donnerstag mein Gehalt.«
    »Ach ja?«, sagte er von oben herab. »Allerdings sind Sie bis dahin eine Woche im Verzug und müssen zwei Raten tilgen, abgesehen von der Strafgebühr.«
    »Strafgebühr«, sagte Pam betäubt.
    »Das steht schwarz auf weiß im Kreditvertrag. Den haben Sie doch gelesen?«
    Pam murmelte etwas. Sie hatte den Vertrag nicht gelesen, und das wusste sie auch. Ganz unerwartet schossen ihr Tränen in die Augen. Sie hätte genauso gut wieder ein Kind sein können, das ins Zimmer ihres Vaters gerufen wird. Ihre Brüder waren nie in Vaters Zimmer gerufen worden. Die waren alle was geworden und unterrichteten an der Uni, genau wie der Vater. Pam war gut in Sport gewesen, aber in allen anderen Fächern hatte sie versagt, und oft genug fand sie sich in Vaters Zimmer wieder, und der putzte sie mit leiser, vernünftig klingender Stimme auf ganz subtile Art und Weise herunter.
    »Pam, ich bin ja kein Unmensch«, sagte Lister. »Ich möchte ja nicht, dass Sie in Schwierigkeiten geraten.«
    Pam schluckte und nickte, zwang die Tränen fort und hoffte, dass Lister bei all den Sonnenstreifen auf ihrem Gesicht die Feuchtigkeit nicht bemerkt hatte.
    »Wir werden schon zu einer Übereinkunft kommen.«
    »Danke«, sagte sie. »Welcher Art von Übereinkunft?«
    »Würde es Ihnen helfen, monatliche Zahlungen zu leisten?«
    »Ich weiß nicht …« Sie wusste es tatsächlich nicht. Als sie den Kredit beantragt hatte, waren ihr die monatlichen Raten riesig erschienen, die wöchentlichen Zahlungen aber machbar. Und nun schaffte sie nicht mal die …
    »Oder Sie zahlen weniger.«
    Sie warf ihm einen Blick zu. »Über längere Zeit, meinen

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