Flugrausch
Frettchen«, sagte Ellen. »Das übrigens entlaufen ist.«
»Und die Kassetten«, sagte Scobie.
»Was für Kassetten?«
»Videos.«
Challis erinnerte sich. Fernsehprogramme, Filme, Dokumentarsendungen, Football-Endspiele … Nichts, was einem das Herz höher schlagen ließ.
»Irgendwas Persönliches auf den Bändern?«
»Die Hochzeit.«
»Meine müden Knochen«, sagte Challis, womit er andeuten wollte, dass es an der Zeit sei, sich wieder an die undankbare Arbeit zu machen.
Als die Detectives gegangen waren, rief er Tessa an. »Ich bins.«
Eine Pause, dann ein fröhliches: »Hallo, ›Ich‹.«
Er wollte nicht lange herumscherzen. »Ich dachte, das solltest du wissen – Mostyn Pearce war der Einmischer.«
Diesmal sprach die Pause Bände, und als sie wieder sprach, klang sie recht angestrengt. »Und das erzählst du mir erst jetzt? Das ist doch schon Tage her. Bist du sicher? Nein, vergiss, dass ich das gesagt habe, natürlich bist du sicher – aber findest du nicht, dass ich wichtig genug bin, um mich sofort darüber zu informieren?«
Die Leitung war tot, bevor er noch hinzufügen konnte, dass die flüchtigen Asylbewerber aufgestöbert worden waren. Ihm wurde klar, dass er sie nicht verlieren wollte.
34
Als Carl Lister sagte, er wolle informiert werden, hatte er nicht erwähnt, dass sie das jeden verdammten Tag tun sollte. Doch Dienstag früh stand er vor ihrer Tür.
Pam gähnte. »Ich hatte bis Mitternacht Dienst. Heute Abend bin ich wieder dran. Wenn ich meinen Schlaf nicht kriege, bin ich nicht zu gebrauchen.«
Er schob sich an ihr vorbei, und ehe sie sichs versah, brühte sie ihm in der Küche einen Instantkaffee auf. Die Herbstsonne strömte herein, und normalerweise hätte sie nichts lieber getan, als noch im Halbschlaf da am Tisch über einer Tasse dampfenden Kaffees in der warmen Sonne zu sitzen.
»Ich habe nichts für Sie«, sagte sie.
»Irgendwas müssen Sie haben. Dealer, Pusher, Boten, Importeure, Süchtige, den regionalen großen Fisch. Wer beliefert die Schulkinder, die Clubs? Wer dealt in der Mall? Wer baut an, wer stellt es her? Das sind die Leute, die sich vielleicht bei mir Geld leihen. Ich muss schon vorher wissen, ob sie bei der Polizei bekannt sind.«
Sie erzählte ihm von Ian Munros Marihuana-Anbau.
Lister wischte Munro mit einer Handbewegung beiseite. »Das weiß doch jeder. Was gibts noch?«
Auf dem Polizeirevier Waterloo wimmelte es nur so von Namen im Zusammenhang mit Drogen: Besitz, Besitz zum Zwecke des Weiterverkaufs, alles Kleinkram. Sie ließ Lister gegenüber ein paar Namen fallen. »Dwayne Venn«, sagte sie. »Brad Pike.«
»Pike? Ein Stück Scheiße«, knurrte Lister. Er schaute Pam in die Augen. »Glauben Sie, dass er dafür verantwortlich ist?«
Pam sah ihn verwirrt an. Bradley Pike war doch sicher kein großer Fisch im örtlichen Drogenteich?
»Die Tochter seiner Freundin umgebracht zu haben«, erläuterte Lister gereizt.
»Oh. Ja. Schuldig wie sonst was.«
»Glaub ich auch. Noch andere Namen?«
»Nein.«
Lister stand auf, ohne den Kaffee angerührt zu haben. »Ich brauche mehr, Mädchen. Sonst könnte ich Ihren Kredit auf die althergebrachte Art eintreiben.«
Was meinte er damit? Justiz? Gerichtsvollzieher? Ein Schuss ins Knie?
John Tankard war im Dienst, aber die halbe Zeit war ihm so jämmerlich zumute, dass er am liebsten geflennt hätte. Er war völlig erledigt, konnte aber nicht schlafen. Und sein Urteilsvermögen war völlig im Eimer.
Also verdrückte er sich im Polizeivan nach Penzance Beach und ließ vor Pam Murphys Wohnung die Sirene zum Spaß kurz aufheulen. Vielleicht würde sie ihn hereinbitten, oder er konnte sie überreden, später mit ihm ins Fiddler’s Creek auf ein Glas Gerstensaft zu gehen.
Aber nein. Sie spuckte Gift und Galle, als sie ihn sah, und raunzte, sie habe Nachtdienst gehabt und müsse schlafen, er solle verschwinden und sie in Ruhe lassen.
»Du bist schon mein zweiter Besucher heute Morgen«, knurrte sie. »Was zum Teufel willst du?«
Und wer war der erste Besucher? »Sei doch nicht so«, sagte Tankard.
»Wie, so? Du tauchst hier am helllichten Tag mit jaulender Sirene auf, wenn ich gerade versuche zu schlafen, und du glaubst, ich finde das witzig? Weiß der Himmel, was die Nachbarn denken.« Sie lachte auf. »Wahrscheinlich werfen die einen Blick hinaus, sehen, wer den Lärm veranstaltet, und denken sich: ›Typisch, der SA-Mann.‹«
Letztes Jahr war jemand herumgegangen und hatte anonyme Zettel unter die
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