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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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Schleier und der Klassenlehrerin als Trauzeugin.
    Es war ein heißer Sommertag, doch langsam kühlte die Luft ab, und es regte sich ein laues Lüftchen. Ich nahm mir einen selbst gemachten frischen Eistee mit Pfefferminzblättern vom Tablett der im Garten umherschwirrenden Hostessen und ging zum Leiter des Kammerorchesters, Herrn Arnold, der mit seinem kleinen Orchester und wechselnden Solisten schon des Öfteren bei Festen meiner Eltern gespielt hatte. Herr Arnold saß auf einem der noch unbesetzten Stühle am Teich und blätterte das Programm durch. Leichte Melodien, bevorzugt Mozart und Händel, würden sie zum Besten geben sowie einige Schubertlieder, natürlich auch das Forellenquintett , das Yesterday der Klassik. Es verhielt sich mit der Forelle bei einem Kammerkonzert wie mit Satisfaction bei einem Konzert der Stones, die sich nicht von der Bühne getrauen, ohne den Song gespielt zu haben. Zum Glück waren heute wenigstens keine Opern oder Operetten auf dem Plan, denn das Lieblingsstück meiner Mutter, Nessun dorma von Puccini, war schon zur Genüge strapaziert worden. Nach dem Konzert würde eine Big Band einige Swing-Klassiker zum Besten geben, was der kleinste gemeinsame Nenner unter den Gästen sein sollte.
    Die letzten Anweisungen wurden ausgeführt, und keine Sekunde später trudelten nach und nach die erlauchten Gäste meiner Eltern – Unternehmer, Ärzte, Anwälte, Stadtpolitiker und der ein oder andere Künstler – zur Begrüßung im Salon ein. Begleitet wurden die meisten von den Gattinnen, die zu der Kategorie gehörten, die sich mit Frau Doktor oder Frau Professor ansprechen ließen, obwohl der Mann den Titel hatte. Man kannte sich vom Golf- und Tennisclub, von Bridgepartien und Segeltörns.
    Inmitten der ankommenden Menge in der mit Marmorboden ausgelegten Empfangshalle standen Mimi und Tim mit großen Augen und für ihre Verhältnisse ziemlich gestriegelt.
    »Da seid ihr ja!«
    Besonders Tim war begeistert. »Das ist ja der Hammer hier!«, rief er. »Wie konntest du freiwillig ausziehen! Wollen deine Eltern vielleicht noch einen Sohn adoptieren? Womit macht man denn so viel Kohle?«
    »Geldwäsche natürlich«, flachste ich. »Nee, meine Familie handelt mit Stoffen und Tüchern. Schon seit drei Generationen, aber um deine Frage vorwegzunehmen, ich möchte die Firma nicht übernehmen.«
    Lena, die ebenfalls gerade eingetroffen war, hatte meine Bemerkung mitbekommen und schaltete sich sofort in das Gespräch ein.
    »Das ist wie bei den Buddenbrooks. Die erste Generation baut alles auf, die zweite erweitert, die dritte verwaltet nur noch und die vierte, also du, liebe Lotte, bringst alles durch.«
    Ich musste lachen.
    »Darf ich vorstellen. Das ist Lena, meine beste Freundin seit Kindertagen.«
    Lena hatte sich dem Anlass entsprechend wieder etwas Besonderes einfallen lassen. »Besonders« bedeutete in diesem Zusammenhang ausgefallen genug, um aufzufallen und meine Mutter zur Weißglut zu bringen.
    Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Lena, weil sie ihre eigenen liberalen 68er-Eltern mit nichts hatte schocken können, meine Eltern als Ersatz benutzte, um Reibung, Konfrontation und ihre pubertäre Phase nachzuholen, getreu dem Motto: Endlich ist mal jemand entsetzt anstatt verständnisvoll. Es dauerte auch keine Minute, und meine Mutter kam zu uns herüber, eigentlich, um Mimi und Tim kennen zu lernen und uns mit den anderen Gästen in Richtung Garten zu treiben.
    Skeptisch begutachtete sie Lenas Asialook. Lena hatte sich die Haare mit Essstäbchen zu einer Rolle befestigt und trug eines dieser leuchtend roten asiatischen Kleidchen. Ansonsten war sie barfuß, hatte sich das Gesicht weiß gepudert und passend zum Sommerabend einen Fächer dabei. Sie sah großartig, unkonventionell und originell aus, was für meine Mutter gesellschaftlichem Selbstmord gleichkam.
    Dementsprechend kurz begrüßte sie Lena und wendete sich Mimi und Tim zu.
    »Und ihr seid Scharlotts Kollegen vom Fernsehen, ja? Schön, dass ihr gekommen seid.«
    Sie konnte schon sehr charming sein, und Mimi und Tim waren sichtlich hingerissen. Wir schlenderten in den stimmungsvoll beleuchteten Garten, wo das Orchester bereits für musikalische Untermalung der Szenerie sorgte.
    Maman war entzückt ob der vielen Komplimente, die sie von meinen Kollegen für ihre Rosen, die Musik, das Fest und ihre Aufmachung bekam. Es würde nicht mehr lange dauern, und sie würde Mimi und Tim lebenslanges Wohnrecht einräumen. Marlene, die natürlich nie

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