Flurfunk (German Edition)
er mir anvertraut hatte, was mit neunundzwanzig Jahren nicht die beste Voraussetzung für ein langes, gesundes Leben war. Kette zu rauchen und immer gestresst zu sein sicher auch nicht. Als mein nächster Vorgesetzter war er aber sehr fürsorglich und nahm sich trotz Hektik immer wieder Zeit, um mir Abläufe zu erklären, und das war keine Selbstverständlichkeit. Die meisten wurden nach der Ins-kalte-Wasser-werf-Methode oder gemäß learning by doing geschult, und manchmal wurde mir schlecht, wenn ich daran dachte, wie viel Verantwortung ich, ohne je wirklich ausgebildet worden zu sein, trug.
Bevor ich, wie mir aufgetragen, Getränke und Zucker für die Kreisläufe der Teenies besorgte, sah ich noch schnell meine
E-Mails durch.
Vielleicht hatte sich Justus Staufen meine Adresse besorgt!
Ja, ich hatte eine Nacht über unsere Begegnung geschlafen, und es hatte nichts genutzt! Ich war auch nach einer langen rem-Phase immer noch verliebt und sah aus wie die Weiße-Riese-Mama, wenn sie die supersaubere Wäsche aus der Maschine holt, nämlich geradezu beängstigend glücklich.
Natürlich waren nur redaktionsinterne E-Mails angekommen. Ich machte mich auf den Weg in die Kantine, füllte mehrere Kartons mit Getränken und Snacks und ging in den Hof hinunter.
Die Mädels waren wirklich süß! Völlig fertig von der prallen Sonne und dem langen Warten standen sie tapfer mit selbst gebastelten Plakaten und Geschenken für die Jungs von Fab5 da, hatten aber weder ihre Begeisterung noch die glänzenden Augen verloren und fanden es ganz toll, dass ihnen so viel Aufmerksamkeit in Form von Essen und Trinken geschenkt wurde. Und ich war die tolle Tante vom Fernsehen, die hautnah an ihre Helden herandurfte.
Natürlich wurde ich gelöchert.
»Sind Fab5 schon da? Kannst du uns nicht mit reinnehmen? Hat Stewart ’ne Freundin?«
Diesen Job hätte ich mit fünfzehn haben sollen! Dann hätte ich täglich hyperventiliert und meinen ebenfalls hysterischen Freundinnen die Abschminkpads aus der Maske rausgeschmuggelt, weil die Stars ihren Lippenabdruck darauf hinterlassen hatten. Wie schön wäre das gewesen!
Obwohl, wenn ich an meine völlig hirnlose Aktion mit Justus Staufen dachte, war der Abstand zwischen mir und den Mädels im Hof gar nicht so groß.
Endlich kamen mehrere schwarze Mercedeslimousinen angebraust und Fab5, von denen keiner viel älter als die Fans war, wurde bestens abgeschirmt in die Studios geführt.
Die enttäuschten Gesichter der Mädchen gaben mir den Rest. Schnell lief ich zu April, die Fab5 interviewen würde.
»April, ich weiß, es geht mich nichts an. Aber da draußen wird seit heute Morgen der Hof von Fans belagert, und Fab5 sind gerade eben ohne auch nur einen Gruß oder ein Autogramm vorbeigerauscht, als wären sie Weltstars«, empörte ich mich.
»Wären sie Weltstars, hätten sie nicht nur angehalten und gegrüßt, sondern stünden jetzt noch da draußen und würden brav Autogramme geben. Das ist der Unterschied. Liegt aber nicht an den Jungs, die machen nur, was ihnen gesagt wird, und das hängt vom Management ab. Es gibt super Manager, die selbst so ’ne Band wachsen lassen und ihren Fankreis pflegen, und andere, die in ihnen nur ein schnelles Projekt sehen, das den Mehraufwand und die Arbeit nicht lohnt.«
»Und was machen wir mit den gebrochenen Mädchenherzen?«
»Ich kenne die TV -Promoterin vom Plattenlabel, die dabei ist. Ich spreche mit ihr.«
April war klasse, gleichgültig, welchen Ruf sie hatte.
Mit der TV -Promoterin, die nicht viel älter als ich war, kam sie zurück und erklärte die Lage.
»Wir sind viel zu spät dran. Deshalb gab’s auch keine Autogramme, aber wenn die Jungs fertig sind und performed haben, kommen sie noch mal raus. Das kannst du den Fans sagen.«
Ich fühlte mich wie die Mutter Beimer des Popbiz und ging nach draußen, um den Mädchen die frohe Botschaft zu verkünden. Ich hätte nie geglaubt, dass hysterisches Gekreische Musik in meinen Ohren sein könnte.
Meine Mission war erfüllt, ich konnte wieder reingehen, aber erst, nachdem ich mehrmals fotografiert wurde. Anscheinend war man schon ein Foto wert, wenn man nur den geringsten Kontakt mit dem Objekt der Begierde vorweisen konnte.
Tim und Mimi mussten lachen, als ich berichtete, weshalb ich so lange verschwunden war.
»Da hast du dir was vorgenommen. Solche Aktionen kommen hier ständig vor. Oft stehen sogar dieselben Mädchen für verschiedene Stars an. Und meistens ist ein Quotenjunge dabei, der
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