Flurfunk (German Edition)
noch selbst anrief, um mit ihr zu sprechen.
So war er eben. Wenn eine Show nicht gut produziert war, konnte er schon mal toben und Sätze ausstoßen wie: »Ihr habt noch 48 Stunden Zeit, um diese Show sendefähig zu bekommen!
Sobald er sich beruhigt hatte, konnte man immer mit einem offenen Ohr und Verständnis rechnen.
Da sollte noch einer behaupten, es arbeiteten nur eiskalte Zyniker beim Fernsehen.
Mir reichte es für heute, und Felix ließ mich früher gehen.
Im Auto ging mir die Sache mit Imka immer noch nicht aus dem Kopf, und ich hoffte inständig, dass sie das Richtige tun würde, erst nach mehreren Ampeln schwenkten meine Gedanken endlich wieder zu Justus. Ob er wohl auch gerade an mich dachte? Oder hatte er mich inzwischen schon wieder vergessen, war ich nur die kleine Praktikantin von TV -plus ? Vielleicht hatte ihn Annabelle Leiniger auch in Beschlag genommen. Wie konnte er es nur mit einer erwachsenen Frau aushalten, die sich wie eine 16-Jährige benahm, die mit kindlicher Fistelstimme das Trommelfell ihrer Zuhörer unangenehm belästigte und beim Sprechen kokett auf ihren Fingerchen herumbiss, während sie leicht den Kopf senkte, um unschuldig von unten zu Justus aufzublicken? War solch ein Benehmen nicht strafbar?
»Ich bin wieder da, Lenchen!«
Lena saß auf der Toilette und hatte mal wieder die Badezimmertür offen gelassen. Sie hatte kein Problem damit, wenn man ihr beim Pipimachen zusah. Ich hingegen konnte nicht einmal aufs Klo, wenn mir die Wände zu dünn schienen, aus Angst, man könne etwas hören oder riechen. Aus meinen Urlauben kam ich deshalb meist mit Verstopfung zurück. Irgendetwas musste in meiner analen Phase schief gelaufen sein.
Ich ging in die Küche und holte mir ein Wasser aus dem Kühlschrank.
»Wie war dein Tag? Hat er sich gemeldet?«, rief Lena, während sie sich die Hände wusch.
»Du machst wohl Witze. Der vergnügt sich mit Pädophilenschwarm Annabelle vor der Kamera, wenn du mich fragst. Wusstest du, dass sie seine Geliebte spielt?«
»Was dachtest du denn? Seine Mutter etwa?«
Lena holte sich ein Eis aus dem Tiefkühlfach.
»Du siehst müde aus, Lotti. Alles klar bei dir, oder hast du tatsächlich Liebeskummer?«
Die Sache mit Imka hatte meine sowieso schon labile Stimmung noch gedrückt, ich hatte aber keine Lust, darüber zu reden.
Lena sah richtig aufgebretzelt aus. »Ein neues Kleid?«, fragte ich. »Und du trägst dein Zieh-dich-aus-ich-glaub-ich-lieb-dich-Parfum! Wo geht’s denn hin?«
Sie druckste verlegen herum.
»Zu ’ner Einladung.«
»Geht’s noch nebulöser oder versuchst du, es spannender zu machen?«, fragte ich nach.
»Also, ich treffe mich mit Casper. Seine Eltern geben ein Fest zu Ehren seiner Promotion«, gab Lena sichtlich verlegen zu.
Ich musste lauthals lachen und spürte die alten Lebenskräfte in mir aufsteigen. »Ich weiß, meine Mutter wollte mich dahin mitschleppen. Meine Eltern sind auch eingeladen. Das finde ich ja zu komisch, dass du jetzt den gleichen Freundeskreis wie meine Eltern pflegst. Nicht mehr lange und du gehst voller Sorge den Cognacbestand mit Casper durch, weil Doktor Sandemann zu Besuch kommt und der weiche Chantré alle ist. Vielleicht hast du ja Glück und Maman oder Marlene zur Tischnachbarin!«
Lena reagierte leicht säuerlich. »Man wird sich ja wohl mal unverbindlich treffen dürfen. Casper ist wirklich interessant und …«
Ich unterbrach sie grinsend. »Und wenn ich schon meiner Mutter keine gute Tochter bin und ihre Kandidaten ernsthaft in Erwägung ziehe, erledigst du das jetzt für mich.«
Ich wusste genau, wie ich Lena ärgern konnte.
»Also weißt du, Lotte, von dir hätte ich mehr Toleranz erwartet!« Lena zog beleidigt eine Schnute, allerdings sah ich ihre Mundwinkel verräterisch zucken.
»Und ich von dir mehr Rückgrat, was deine Ideale und den Kampf gegen Großkapitalisten und das Spießbürgertum anbelangt. Wo kommen wir denn da hin, wenn du jetzt schon Anwälte datest und mit meinen Eltern gemeinsame Einladungen annimmst? Da gerät mein Weltbild total aus den Fugen.«
»Tja, liebe Lotte. Nur wer gegen den Strom schwimmt, kann etwas verändern!«
»Trifft sich ja gut, dass Caspers Eltern ein eigenes in Naturstein eingelassenes Schwimmbad mit Thermen-Whirlpool haben. Da lässt es sich wenigstens feudal gegen den Strom schwimmen, nicht?«, zog ich sie auf.
»Na warte!« Lena ging auf mich los und jagte mich Prügel androhend durch die Wohnung.
»Gewalt ist keine Lösung, Lena!
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